Die strafbefreiende Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung

Eine der wichtigsten Vorschriften im Steuerstrafrecht ist die des § 371 AO (Abgabenordnung), die dem Steuerhinterzieher die straf-, aber nicht kostenlose, Rückkehr auf den „Pfad der Tugend“ ermöglicht: die strafbefreiende Selbstanzeige.

 

Die nachfolgenden Ausführungen können nur eine kurze erste Einführung in die umfangreichen rechtstheoretischen und praktischen Probleme der (neu gefassten) strafbefreienden Selbstanzeige geben.

Die Selbstanzeige

Die Vorschrift des § 371 AO ist im Mai 2011 in Folge des durch das Auftauchen von sogenannten "Steuer-CDs" entstandenen Drucks aus Politik und Justiz erheblich verschärft worden. Das Erstellen einer strafbefreienden Selbstanzeige ist damit noch anspruchsvoller geworden. Die Fehler bei der Abfassung der strafbefreienden Selbstanzeige können nunmehr zur Unwirksamkeit der kompletten(!) Selbstanzeige führen. Bei Hinterziehungsbeträge über EUR 50.000,-- pro Tat tritt im Grundsatz überhaupt keine Strafbefreiung mehr ein, sondern das Strafverfahren wird (nur) im Wege einer komplizierten verfahrensrechtlichen Verweisung eingestellt.

 

Zu den Voraussetzungen für die strafbefreiende Selbstanzeige gehören die Berichtigung bzw. Nacherklärung von Besteuerungsgrundlagen und bei eigennütziger Steuerhinterziehung die Nachzahlung der hinterzogenen Steuern. Adressat der Selbstanzeige ist die für die Berichtigung sachlich und örtlich zuständige Finanzbehörde. Das Wort „Selbstanzeige“ braucht die Erklärung nicht zu enthalten. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass in der Erklärung die unrichtigen oder unvollständigen steuerlichen Angaben berichtigt oder nacherklärt werden. Allerdings muss die Erklärung so umfangreich beschaffen sein, dass die Finanzbehörde auf Grund dessen ohne weitere eigene Nachforschungen die richtige Steuer fest setzen kann. Dies wird der „Grundsatz der Materiallieferung“ genannt. Ist die Erklärung insoweit zu ungenau oder unvollständig, kann sie volle Straffreiheit nicht bewirken. Damit befindet sich der Steuerpflichtige, der seine Hinterziehungstat zwar anzeigen möchte, aber das konkrete Zahlenmaterial (z.B. ausländische Bankunterlagen) noch nicht zur Verfügung hat, in ein Dilemma, falls der Eintritt eines der drei Sperrtatbestände (s.u.) droht und die Möglichkeit der Straffreiheit dadurch verlustig geht. Hier kann u.U. mit einer zweigeteilten Selbstanzeige zu reagieren sein, bei der in einem ersten Teil die Hinterziehungstat im Rahmen einer (großzügigen und mit einem Sicherheitsaufschlag zu versehenen) Schätzung angezeigt und die konkreten Zahlen später nachgereicht werden. Nicht zu verwechseln ist dieses Vorgehen mit der Stufenselbstanzeige, vor der nur gewarnt werden kann. Von der Strafbefreiung sind jedoch nur die Steuerstraftaten betroffen, eventuelle im Zusammenhang mit der Steuerstraftat begangene Nichtsteuerstraftaten (z. B. Urkundenfälschung) sind nicht von der Strafbefreiung umfasst. Aber diese im Rahmen einer Selbstanzeige neben der Steuerhinterziehung dem Finanzamt offenbarten Nichtsteuerstraftaten unterliegen dem Steuergeheimnis und dürfen von den Finanzbehörden nicht an die Staatsanwaltschaft oder sonstigen Stellen zu Strafverfolgungszwecken weitergegeben werden. Ausgenommen hiervon sind jedoch Verbrechen und vorsätzliche schwere Vergehen gegen Leib und Leben oder gegen den Staat und seine Einrichtungen sowie Wirtschaftsstraftaten, die nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens geeignet sind, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden und der öffentlichen Einrichtungen erheblich zu erschüttern.

Die Nachzahlung der hinterzogenen Steuern
Weitere objektive Voraussetzung für die Erlangung der Straffreiheit bei eigennütziger Steuerhinterziehung ist die Nachzahlung der hinterzogenen Steuern. Ohne Nachzahlung kann es keine Straffreiheit geben. Dabei ist der Grund für das Nichtzahlen (z. B. Insolvenz) völlig unerheblich. Einem Täter, der die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern nicht aufbringt, soll nach dem gesetzgeberischen Willen keine Strafbefreiung gewährt werden. Vor der Erstattung einer Selbstanzeige muss also zwingend geprüft, ob der potentielle Anzeigenerstatter die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern überhaupt aufbringen kann, andernfalls führt die Selbstanzeige unweigerlich zur strafrechtlichen Verfolgung und Bestrafung der angezeigten Steuerhinterziehung. Die Selbstanzeige kann in diesem Fall aber immer noch als strafmildernder Umstand berücksichtigt werden. Die Nachzahlung muss nicht durch den Täter selbst erfolgen, sondern kann auch durch einen Dritten erbracht werden, in diesem Fall liegt keine Strafvereitelung vor. Die Strafbefreiung tritt nur für die angezeigten Taten ein, dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 371 Abs. 1 AO: „... wird insoweit straffrei“. Teilselbstanzeigen bewirken daher auch nur eine teilweise Strafbefreiung.

Die fünf Sperrtatbestände
Um mit der Selbstanzeige Straffreiheit erlangen zu können, darf allerdings zum Zeitpunkt des Zugangs der Selbstanzeige bei der zuständigen Finanzbehörde keiner der fünf sogenannten Sperrtatbestände eingetreten sein, bei deren Vorliegen eine Straffreiheit nicht möglich, auch wenn alle anderen Voraussetzungen erfüllt sind (Sperren für die Strafbefreiung). Es genügt, wenn eine der fünf Sperren vorliegt, um die Straffreiheit nicht eintreten zu lassen.

 

Erste Sperre: Die Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung nach § 196 AO.

 

Zweite Sperre: Die Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens. Eine wirksame Selbstanzeige ist nicht mehr möglich, wenn dem Steuerpflichtigen (oder seinem Vertreter, z.B. dem Steuerberater) die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten bekannt gegeben worden ist. Entscheidend ist hier die Bekanntgabe, nicht bereits die Einleitung des Verfahrens. Die Form der Bekanntgabe ist nicht vorgeschrieben, sie kann daher beispielsweise auch durch Übergabe des Durchsuchungsbeschlusses anlässlich einer im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens durchgeführten Durchsuchung erfolgen.

 

Dritte Sperre: Das Erscheinen eines Amtsträgers mit Prüfungsabsicht oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit. Eine wirksame Selbstanzeige ist nicht mehr möglich, wenn ein Amtsträger der Finanzbehörde (Auch z.B. die Steuerfahndung bei der Ermittlung wegen nicht erklärtem Schwarzgeld in Stiftungen in Liechtenstein als Steueroase.) zur steuerlichen Prüfung oder Ermittlung einer Steuerstraftat/Steuerordnungswidrigkeit bei dem Steuerpflichtigen erschienen ist. Steuerliche Prüfung sind alle rechtmäßigen Maßnahmen der Finanzbehörde zur Ermittlung und Erfassung steuerlicher Verhältnisse eines Steuerpflichtigen zum Zweck der richtigen und vollständigen Steuerfestsetzung. Hierzu zählen z.B. Außenprüfungen, Prüfungen der Steuer- und Zollfahndung, die Einsichtnahme in bestimmte Bankunterlagen durch Steuerfahnder.

 

Vierte Sperre: Die Entdeckung der Tat. Eine wirksame Selbstanzeige ist nicht mehr möglich, wenn die Tat, die angezeigt wird oder werden soll, ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste bzw. bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Für die Entdeckung nicht ausreichend ist der sogenannte Anfangsverdacht, der für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens Anlass gibt. Aber die Person des Täters muss nicht namentlich bekannt sein, Bestimmbarkeit soll genügen.

 

Fünfte Sperre: Wenn die verkürzte Steuer oder der erlangte Steuervorteil über EUR 50.000 liegt, § 370 Abs. 2 Nr. 3 AO. In diesen Fällen ist allerdings trotzdem eine Strafbefreiung (über einen Umweg) möglich. Nach § 398a AO ist in diesen Fällen nämlich das Strafverfahren zwingend einzustellen, wenn der Täter die hinterzogene Steuer zahlt und zusätzlich einen "Strafaufschlag" von 5% der hinterzogenen Steuer an die Staatskasse zahlt.

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