BGH: Bei erheblicher Steuerhinterziehung kann „Verteidigung der Rechtsordnung“ gegen Aussetzung der Bewährung sprechen
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- Erstellt am Montag, 19. März 2012 10:46
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in einem Revisionsverfahren (erneut) zu einer Reihe von Milderungsgründen geäußert – und diese zum Großteil als unbeachtlich verworfen.
In dem konkreten Fall hatte das Landgericht Augsburg einen Unternehmer zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt, obwohl er zwei Mal Steuern in Höhe von mehreren hunderttausend Euro hinterzogen hatte. Die Staatsanwaltschaft legte Berufung gegen das Urteil ein, weil es dieses als zu milde empfand. Die Richter am Bundesgerichtshof gaben der Staatsanwaltschaft Recht und rügten die Richter am Landgericht Augsburg wegen ihrer milden Strafzumessung sehr deutlich.
Ergänzend wies der BGH darauf hin, dass......
.............. die „Verteidigung der Rechtsordnung“ (§ 56 Abs. 3 StPO) es gebieten könne, dass bei Steuerhinterziehung im großen Ausmaß eine Freiheitsstrafe unter 2 Jahre ausnahmsweise nicht zur Bewährung ausgesetzt wird – um damit ein entsprechendes Zeichen zu setzen, dass Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt ist.
Insbesondere erklärte der BGH, welche Erwägungen die Strafzumessung nicht mildern können:
Argument: Der Täter hätte die Steuerhinterziehung noch geschickter durchführen können und einen noch größeren Steuerbetrag hinterziehen können. Dass er dies nicht getan hat, sondern nur eine „kleineren“ Variante der Steuerhinterziehung angewandt hat und damit auch nur einen kleineren Steuerbetrag hinterzogen hat als maximal möglich gewesen wäre, ist ihm zu Gute zu halten.
BGH: Dass der Täter mit noch höherer krimineller Energie einen noch höheren Schaden hätte anrichten können ist ihm nicht zu Gute zu halten.
Argument: Der Täter hat die hinterzogene Steuer nach Entdeckung der Tat vollständig bezahlt.
BGH: Die Nachzahlung der hinterzogenen Steuer ist eine Selbstverständlichkeit, zu welcher der Täter als ehrlicher Steuerbürger ohnehin verpflichtet ist. Dies stellt keine besonderen Milderungsgrund dar – erst Recht nicht, wenn der Täter in sehr guten Vermögensverhältnissen lebt und ihm die Nachzahlung der Steuern ohne Einschränkung seiner Lebensführung möglich war.
Argument: Die Dauer des Ermittlungsverfahrens von 3,5 Jahren bis zum erstinstanzlichen Urteil ist sehr lange und daher bei der Strafzumessung mildernd zu berücksichtigen.
BGH: Bei Wirtschaftsstrafsachen ist einer Verfahrensdauer von 3,5 Jahren bis zum erstinstanzlichen Urteil nicht ungewöhnlich lange und liegt in der Natur der Sache begründet, da Wirtschaftsstrafverfahren oft recht kompliziert ist.
Argument: Der Täter war im Verfahren aufgrund der drohenden Haftstrafe erheblichen psychischen Belastungen ausgesetzt, die sich im Prozess in einer sehr angespannten emotionalen Verfassung des Täters ausgedrückt haben. Dies ist strafmildernd zu berücksichtigen.
BGH: Jeder Angeklagte, dem eine nicht zur Bewährung aussetzbare Freiheitsstrafe droht, ist psychischen Belastungen ausgesetzt – einen besonderen Milderungsgrund stellt dies nicht dar.
Argument: Der Täter hat sich bei der Steuerhinterziehung von einem Steuerberater beraten lassen, dieser hat dem Täter sogar bewusst Hilfe bei der Steuerhinterziehung geleistet. Der Täter hatte deshalb nur bedingten Vorsatz zur Steuerhinterziehung.
BGH: Dass der Täter sich von einem Steuerberater bei der Steuerhinterziehung helfen lässt, führt in der Regel nicht dazu, nur von einem bedingten Vorsatz auszugehen ist. Im Gegenteil kann es unter Umständen als strafschärfend berücksichtig werden, dass der Täter weitere Personen in seine Steuerhinterziehung "hineingezogen" hat.
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