Neuregelung: Verjährung der Steuerhinterziehung? NIE!

Im Jahressteuergesetz 2020 hat der Gesetzgeber die Verjährung von Steuerstraftaten mal wieder neu geregelt. Vereinfacht ausgedrückt: Mord und Steuerhinterziehung verjähren nie!

1. Überblick

Aber ein wenig genauer hingesehen: § 376 Abs. 1 AO wurde geändert und für die Fälle der besonders schweren Steuerhinterziehung die Verjährungsfrist von 10 Jahren auf 15 Jahre erhöht. Die Regelung ist nach der Begründung des Finanzausschuss des Bundestages, welcher die Aufnahme dieser Regelung in das Gesetz empfahl (BT-Drs. 19/25160), auf alle zum Zeitpunkt des Inkrafttretens noch nicht verjährten Taten anzuwenden. Die Verjährung von alten Taten, die zum Jahresende 2020 bevorstand, wird dadurch um weitere fünf Jahre hinausgezögert.

2. Begründung und tatsächliche Verjährungsfrist

Nach der Begründung des Finanzausschuss soll die bisherige Verjährungsfrist von zehn Jahren nicht ausreichend sein, um komplexe und internationale steuerstrafrechtlich relevante Sachverhalte aufzuklären. Dies erstaunt, da bereits nach der gegenwärtigen, erst zum 01.07.2020 in Kraft getretenen Regelung des § 376 Absatz 3 AO die absolute Verjährung bei der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall, auf das zweieinhalbfache der Verjährungsfrist verlängert wurde, also bisher 25 Jahre beträgt.

Die absolute Verjährung ist von Bedeutung, da die einfache Verjährung von bisher 10 und nunmehr 15 Jahren von neuem beginnt, wenn diese durch bestimmte Ermittlungsmaßnahmen – wie die Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens – unterbrochen wird. Da dies in der Hand der Ermittlungsbehörden liegt, bildet regelmäßig erst die absolute Verjährung ein Verfolgungshindernis. Diese verlängert sich jetzt von 25 Jahren wegen der Multiplikation mit dem zweieinhalbfachen Satz auf 37,5 Jahre (Totschlag liegt bei 40 Jahren!). Selbst mit dieser üppigen Bearbeitungsfrist muss die Ermittlungsbehörde innerhalb der Frist von 37,5 Jahren aber nur eine Eröffnung des Verfahrens vor dem Landgericht erreichen: Dieses hat dann wegen der Normen § 78b Abs. 4 StGB und § 376 Abs. 1 Hs. 2 AO weitere fünf Jahre Zeit, um zu einem Urteil zu kommen. Mit dieser Frist errechnet sich also ein faktischer Verjährungszeitraum von 42,5 Jahren.

3. Konsequenzen für die Praxis

Für die steuerstrafrechtliche Praxis bedeutet dies eine Anwendung auf alle Fälle, bei denen ein Regelbeispiel der schweren Steuerhinterziehung (§ 370 Absatz 3 AO) verwirklicht ist. Dies sind nach der Rechtsprechung des BGH vor allem alle Taten mit einer Steuerverkürzung von mehr als EUR 50.000,00 pro Tat - nach unserer Erfahrung in fast allen Fällen verwirklicht. Keine Erwähnung in dieser kurzen Nachricht finden die Regeln zum Anlauf der Verjährung oder der Unterbrechung der Verjährung. Ohne Probleme rechnen wir unseren Mandanten vor, dass die vorgenannten 42,5 Jahre sich nahezu beliebig ausdehnen lassen, vgl. §§ 76 b Abs. 1 S. 3, 78 c III StGB. Bei der Selbstanzeigeberatung werden diese neuen Regelungen zu beachten sein.

a. Vorsicht bei Selbstanzeigen

Nach § 371 Abs. 1 Satz 2 AO müssen zur Wirksamkeit der Selbstanzeige die unrichtigen oder unvollständigen Angaben zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber für die letzten zehn Kalenderjahre berichtigt werden. Künftig genügt in Fällen der schweren Steuerhinterziehung eine Berichtigung dieser zehn Jahre nicht mehr, weil die Verjährung jetzt bereits 15 Jahre beträgt.

b. Vorsicht bei Vermögensabschöpfung (Cum-ex-Fälle)

Mit der Einführung des neuen § 73e Abs. 1 Satz 2 StGB durch das Jahressteuergesetz wird nun die bisherige Reglung des § 375a AO zur Einziehung von durch Verjährung erloschenen Steueransprüchen im Strafgesetzbuch geregelt. Danach können im Falle einer Steuerhinterziehung auch steuerlich verjährte Beträge eingezogen werden. Dies geht gemäß § 76 b Abs.1 S. 1 StGB bis zur Verjährung der Einziehung nach erst 30 Jahren. Diese Erweiterung der zeitlichen Anwendung der Einziehung war gleichfalls erst zum 01.07.2020 in Kraft getreten. Sie galt gemäß Art. 97 § 34 EGAO allerdings nur in Fällen, bei welchen am 01.07.2020 noch keine Verjährung eingetreten war. Die Übernahme der Norm in das Strafgesetzbuch durch das Jahressteuergesetz sieht jetzt gemäß Art. 316 Nr. 1 EGStGB in Fällen der schweren Steuerhinterziehung auch eine rückwirkende Verlängerung der Verjährungsfrist auf 30 Jahre für die Einziehung bei bereits verjährten Ansprüchen vor. Wozu das alles? Böse Zungen munkeln, dass diese Regelungen insbesondere dazu dienen, die Aufarbeitung der CUM EX Fälle zu regeln. Eine Verlängerung der Verjährung könnte auch eine Auswirkungen auf die Möglichkeit der Home Office Arbeiten der beteiligten Organe der Strafverfolgung und der Steuerfahndung sein.

4. Verfassungsrechtliche Bedenken

Verfassungsrechtlich ist das alles mehr als bedenklich. Verjährung hat im ursprünglichen Sinn etwas mit der Tat und nicht mit der Kompetenz der Verfolger zu tun. Diese sollten vielmehr ihr überlegenes Wissen dazu nutzen, um ausgestattet mit genügend Personal und Mitteln die schnelle Verfolgung zu ermöglichen.

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