Liechtenstein-Prozesse: Stiftung, Steuerhinterziehung, Außensteuergesetz, EU-Grundfreiheiten, Verbotsirrtum

Wie bereits im Rahmen der letzten Steueramnestie 2004/2005 (vgl. unsere Mitteilung auf dieser Seite vom 29.04.2005), so stellen sich auch in den jetzt aktuellen sogenannten Liechtenstein-Prozessen (Stichwort: Postchef Zumwinkel) Fragen nach dem Spannungsverhältnis zwischen nationalen Steuervorschriften und EU-Grundfreiheiten und der Auswirkung auf steuerstrafrechtliche Vorschriften. In den Mandatsgesprächen zur Steueramnestie wurde insbesondere die Folge des § 15 Außensteuergesetz (-AStG-) heftig diskutiert. Die Anwendung dieser Vorschrift in ihrer damaligen Fassung führte zu dem Ergebnis, dass sich der Gründer einer ausländischen *Familienstiftung* nicht nur die Erträge der Stiftung als Einkommen zurechnen lassen musste, sondern dass die Hingabe des Vermögens in die Stiftung und eventuelle Rückflüsse von der Stiftung an ihn als steuerpflichtige Schenkungen behandelt wurden.

Diese Regelung ist natürlich *unfair*, allerdings ist die Frage nach der Fairness im Steuerrecht kein Bewertungskriterium. Gleichwohl wurde gegen diese Vorschrift oft der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit erhoben, welchem sich der Bundesfinanzhof jedoch ausdrücklich nicht angeschlossen hat (BFH-Urteil vom 05.11.1992 – I R 39/92 und vom 25.04.2001 - II R 14/98)). Weit *aussichtsreicher* ist jedoch die Prüfung einer Vereinbarkeit des § 15 AStG mit den EU-Grundfreiheiten. Mit dem grundsätzlichen Thema des Spannungsverhältnisses zwischen EU-Grundfreiheiten und nationaler, direkter Besteuerung hat sich unser Mitarbeiter Herr RA Barekzai in seiner Abschlußarbeit zum LLM - Studium bereits in 2004 grundsätzlich auseinandergesetzt. Hinsichtlich von Stiftungen in Liechtenstein ist allerdings zu beachten, dass Liechtenstein kein EU-Mitglied ist, sondern nur im Rahmen des sogenannten EWR-Assoziierungsabkommens an den EU-Raum angeschlossen ist. Ob und in welchem Umfang die EU-Grundfreiheiten auch im Verhältnis zu (grenzüberschreitenden) steuerlichen Gestaltungen in Liechtenstein Anwendung finden, ist noch nicht abschließend geklärt. Läßt man diesen Punkt einmal außer Betracht, so findet sich (zwischenzeitlich) in der steuerrechtlichen Literatur die Ansicht, dass die Bestimmung des § 15 AStG nicht mit den EU-Grundfreiheiten vereinbar ist – wenngleich im Detail noch viele Punkte unterschiedlich beurteilt werden. 

Zwischenzeitlich hat das Bundesfinanzministerium mit einem Schreiben an alle untergeordneten Finanzbehörden den Anwendungsbereich des § 15 AStG eingeschränkt. Anlaß ist ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland wegen der Unvereinbarkeit des § 15 AStG mit dem EU-Recht (BMF-Schreiben betr. Unvereinbarkeit des § 15 AStG mit EU-Recht vom 14.05.2008).

Allerdings wird sich ein wegen Verstoßes gegen § 15 AStG beschuldiger Steuerhinterzieher auf die Unwirksamkeit dieser Vorschrift nur in der Art und Weise berufen können, indem er diese Frage zur endgültigen Klärung vor ein Gericht bringt und ihm das Gericht bestätigt, dass diese Norm nichtig war – ein solches Urteil darf nur das Bundesverfassungsgericht fällen. Ob sich ein Beschuldigter in strafrechtlicher Hinsicht eventuell auf einen sogenannten Verbotsirrrtum (§ 17 StGB) berufen kann, weil er (schon damals) der Überzeugung war, dass § 15 AStG ganz/teilweise verfassungswidrig war bzw. gegen die EU-Grundfreiheiten verstieß, hängt zum einen von der Beweisbarkeit seiner Behauptung ab, zum anderen davon, ob man, natürlich gesetzt den Fall § 15 AStG ist überhaupt wirksam, von einem vermeidbaren oder unvermeidbaren Verbotsirrtum ausgeht. Soweit es um die Beweisbarkeit des fehlenden Unrechtsbewußtseins zum Zeitpunkt der Tat geht, so gilt der allgemeine Grundsatz *in dubio pro reo*, soweit dem Tatrichter nach Durchführung der Beweisaufnahme im Rahmen der Beweiswürdigung Zweifel am Vorliegen des Unrechtsbewußtseins hat. 

In den Liechtensteinfällen gibt es eine Reihe von Ansatzpunkten, um die Vorwürfe der Steuerfahndung zu widerlegen oder abzuschwächen. Wann, wie welcher Einwand gemacht wird ist vom Einzelfall abhängig und von den Zielvorgaben, welche der Rechtsanwalt mit dem Mandanten ausführlich erörtern muss.

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