Einleitung "Steuerstrafrecht"

1. Einführung in das Steuerstrafrecht

1.1 Wie ist das Strafrecht aufgebaut?

1.2 Was ist der Unterschied zwischen Verbrechen und Vergehen?

1.3 Der Grundsatz „Nullum crimen, nulla poena sine lege“     

1.4 Der Aufbau des Straftatbestandes

1.4.1 Objektiver Tatbestand

1.4.2 Subjektiver Tatbestand

1.4.3 Rechtswidrigkeit

1.4.4 Schuld

1.5 Der Versuch und der Rücktritt vom Versuch

1.6 Was ist der Unterschied zwischen Täterschaft und Teilnahme?

1.6.1 Die Täterschaft

1.6.2 Die Teilnahme

1.7 Die Strafe

1.8 Die Verjährung der Straftat

1.9 Das Ordnungswidrigkeitenrecht (OWiG)

1.10 Das Strafverfahrensrecht (StPO)

 

1. Einführung in das Steuerstrafrecht

Das Ziel des Strafrechts und damit auch des Steuerstrafrechts ist der Schutz des Zusammenlebens der Menschen in einer Gemeinschaft. Dieses vollzieht sich nach sozialethischen Wertvorstellungen, die in Rechtsordnungen ergänzt, verfeinert und verstärkt werden. Das Strafrecht hat als ein Teil der Rechtsordnung die Aufgabe, die Unversehrtheit der Rechtsordnungen zu sichern. Dazu bedient es sich der dem Staat – über die Anwendung von Zwang hinaus – allein vorbehaltenen Mittel, nämlich der öffentlichen Strafe.

Dem Strafrecht selbst wird eine repressive und eine präventive Funktion beigemessen. Die repressive Funktion besteht darin, eine bereits eingetretene Rechtsverletzung zu ahnden, während die präventive Funktion darin besteht, bei dem verurteilten Straftäter die Achtung vor dem Recht wieder zu festigen (Schuld- und Resozialisierungsprinzip des strafrechtlichen Sanktionssystems). Diese spezialpräventive Funktion wird um die generalpräventive Funktion erweitert, indem durch die individuelle Strafe ebenfalls die Allgemeinheit abgeschreckt wird, sich gegen Verbotsnormen zu richten.

Als Zielrichtung des Strafrechts wird der Rechtsgüterschutz genannt. Das durch das Steuerstrafrecht zu schützende Rechtsgut ist durch seine Bezeichnung als „Steuer“ gekennzeichnet.

1.1 Wie ist das Strafrecht aufgebaut?

Viele Regeln des Strafrechts können gleichartig auf eine Vielzahl von Straftaten angewandt werden. Die Unterscheidung, ob eine Straftat nur versucht oder vollendet wurde, ob eine Straftat verjährt ist oder, als drittes Beispiel, ob eine Tat vorsätzlich oder „nur“ fahrlässig begangen ist, kann bei einem Totschlag genauso entschieden werden wie bei einem Betrug.

Daher sind eine Vielzahl von abstrakten Vorfragen im allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches geregelt. Im besonderen Teil sind sodann die einzelnen Straftatbestände selbst geregelt.

Verstreut über eine Vielzahl von weiteren Gesetzen finden sich Strafrechtsnormen, die besondere Verhaltensweisen im Zusammenhang mit diesen besonderen Gesetzen pönalisieren. Diese werden als Nebenstrafrecht bezeichnet. Die steuerstrafrechtlichen Normen sind nicht im Strafgesetzbuch geregelt, daher gehört das Steuerstrafrecht zum Nebenstrafrecht.

1.2 Was ist der Unterschied zwischen Verbrechen und Vergehen?

§ 12 Abs. 1 StGB definiert Verbrechen als solche Taten, die im Mindestmaß mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bedroht sind, nach § 12 Abs. 2 StGB sind Vergehen solche Taten, die im Mindestmaß mit einer Freiheitsstrafe von weniger als einem Jahr oder mit Geldstrafe bedroht sind. Diese Einteilung erlaubt es, bestimmte Anknüpfungen nur einmal zu definieren. Der Versuch eines Verbrechens ist gemäß § 23 StGB immer strafbar, der Versuch eines Vergehens hingegen nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich anordnet. Die Anstiftung zu einem Verbrechen ist gemäß § 30 Abs. 1 StGB stets strafbar, die zu einem Vergehen regelmäßig nicht. Hinzuweisen ist, dass § 261 StGB (Geldwäsche) an die Begehung eines Verbrechens anknüpft. Für die Strafverfolgung von Vergehen ist der gemäß § 25 GVG zuständige Richter am Amtsgericht in Strafsachen zuständig, um die Strafverfolgung von Verbrechen kümmert sich gemäß § 74 Abs. 1 GVG das Landgericht.

1.3 Der Grundsatz „Nullum crimen, nulla poena sine lege“

§ 1 StGB lautet: „Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.“

Das alte Rechtssprichwort der Überschrift ist in der vorgenannten Norm wiedergegeben. Dahinter stehen verschiedene Verbote, die bei der Strafverfolgung durch den Staat bzw. seine Strafverfolgungsorgane bzw. die Rechtsprechung zwingend (Art. 103 Abs. 2 GG; § 1 StGB; Art. 7 Abs. 1 EMRK) zu beachten sind.

Das Rückwirkungsverbot (nulla poena sine lege praevia) besagt, dass strafbegründenden und strafverschärfenden Vorschriften weder vom Gesetzgeber noch vom Richter mit Rückwirkung zulasten des Täters erlassen werden dürfen. Spätere günstigere Regeln wirken sich jedoch zugunsten des Straftäters aus. Das gleichfalls darin enthaltene Verbot der Anwendung von Gewohnheitsrecht (nulla poena sine lege scripta et stricta) ergibt sich aus Art. 104 GG. Der Gesetzesvorbehalt besagt, dass Strafgesetze einer förmlichen Rechtsetzung in einem Gesetz, einer Rechtsverordnung oder einer Satzung bedürfen. Das Verbot unbestimmter Strafgesetze (nulla poena sine lege certa) besagt, dass das strafbare Verhalten mit hinreichender Bestimmtheit beschrieben sein muss.

Steuerstrafrecht ist Blankettstrafrecht. Dieses bedeutet, dass die Verhaltensnormen, gegen die nicht verstoßen werden darf, sich aus den steuerlichen Gebotsnormen ergibt.  Das Steuerstrafrecht verweist auf die Steuergesetze. Damit sind nur die förmlichen Gesetze im Steuerrecht gemeint. Keinesfalls ergeben sich Begründungen für einen Straftatbestand aus BMF-Schreiben, Erlassen und anderen Verlautbarungen. Sodann kennen die Steuergesetze die unechte Rückwirkung, sodass hier ganz besonderes Augenmerk auf die Anforderungen des Strafrechtsfalls gelegt werden muss. Einen Straftatbestand, der dadurch entsteht, dass nicht strafwürdiges Verhalten durch ein späteres Gesetz zur Straftat wird gibt es nicht. 

Ergänzend sei klargestellt, dass selbst die Entscheidung der Finanzverwaltung oder eines Finanzgerichtes, dass eine Steuer fällig sei, die bisher nicht bezahlt wurde, nicht die Aussage enthält, deshalb liege eine Steuerstraftat vor. Steuern entstehen im Hinblick auf Verwaltungspraktiken wie beispielsweise die oben erwähnten BMF-Schreiben. Diese sind jedoch kein Gesetz. Daher gibt es nur einen Steuerstraftatbestand bei Gesetzesverstoß.

Schließlich enthält § 1 StGB das Analogieverbot. Eine richterlich gebildete Erweiterung eines Straftatbestandes auf einen ebenso strafwürdigen neuen Tatbestand darf es nicht geben, vorausgesetzt, es liegt keine unbeabsichtigte Gesetzeslücke vor.

1.4 Der Aufbau des Straftatbestandes

Juristen bauen die Prüfung eines Straftatbestandes in der Form auf, dass in einer ersten Stufe geprüft wird, ob ein tatbestandsmäßiges Handeln oder Unterlassen vorliegt. In einer zweiten Stufe wird sodann gefragt, ob der Täter mit dieser Tat Unrecht begangen hat. Man unterscheidet zwischen der Tatbestandsmäßigkeit und der Rechtswidrigkeit. Letztere wird nur dann geprüft, wenn die Tatbestandsmäßigkeit zu bejahen ist. Liegt diese allerdings vor, bedarf es nur der Prüfung, ob die Rechtswidrigkeit entfällt. Grundsätzlich indiziert die Tatbestandsmäßigkeit die Rechtswidrigkeit. Nur das Eingreifen eines Rechtfertigungsgrundes lässt die Rechtswidrigkeit entfallen, sodass der Täter zwar tatbestandsmäßig handelt, aber diese Handlung nicht als rechtswidrig anzusehen ist. Schließlich wird in einer dritten Stufe die Schuld des Täters zum Gegenstand der Prüfung gemacht.

 

Grundschema der Strafrechtsprüfung

 

Tatbestand der Strafrechtsnorm

-          Objektiver Tatbestand

-          Subjektiver Tatbestand

 

Rechtswidrigkeit der Tat

-          Rechtfertigungsgründe

 

Schuld des Täters

-          Entschuldigungsgründe

 

1.4.1 Objektiver Tatbestand

Dieser Teil der Prüfung des Straftatbestandes besteht in der Prüfung der objektiven Tatbestandselemente. Dies sind jene Umstände, die das äußere Erscheinungsbild der Tat bestimmen. Sie können deskriptiv oder normativ, tat- oder täterbezogen sein.

1.4.2 Subjektiver Tatbestand

Subjektive Tatbestandsmerkmale sind solche, die der Vorstellungswelt des Täters angehören. Sie charakterisieren den Handlungsunwert der Tat und kennzeichnen die besondere Art und Weise der Verletzung und Gefährdungshandlung näher. Üblicherweise gehören insbesondere Absichten des Täters hierher, die eine besondere Erfolgs- oder Zielvorstellung als überschießende Innentendenz aufweisen.

Neben diesen subjektiven Elementen ist im Rahmen des Handlungsunrechts der Vorsatz zu untersuchen. Innerhalb des subjektiven Tatbestandes ist daher die Prüfung vorzunehmen, ob der Täter vorsätzlich handelte. Vorsätzlich handelt, wer die Tat mit Vorsatz bezüglicher alles objektiven Tatbestandsmerkmale verübt.

Der Vorsatz wird wie folgt untergliedert:

Absicht als gesteigerte Form des direkten Vorsatzes (dolus directus ersten Grades) ist dann gegeben, wenn es dem Täter gerade darauf ankommt, den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges herbeizuführen oder den Umstand zu verwirklichen, für den das Gesetz absichtliches Handeln voraussetzt.

Direkter Vorsatz (dolus directus zweiten Grades) liegt vor, wenn der Täter weiß oder als sicher voraussieht, dass sein Handeln zur Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes führt und er dies will.

Eventualvorsatz (dolus eventualis) liegt vor, wenn es der Täter für ernstlich möglich hält und sich damit abfindet (billigendes Inkaufnehmen), dass sein Verhalten zur Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes führt. Eventualvorsatz genügt zur Verwirklichung des Tatbestandes, wenn nicht die gesetzlichen Normen ein Handeln wie „wider besseren Wissens“ oder „wissentliches Handeln“ als Voraussetzungen in den Tatbestand aufnehmen.

Fahrlässig handelt der Täter, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet und damit den tatbestandlichen Erfolg verwirklicht.

Der Irrtum im Sinne des Tatbestandsirrtums nach § 16 StGB ist die Kehrseite des Vorsatzes. Wenn der Täter kein Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung hat, ist der Vorsatz ausgeschlossen. Der Täter irrt über einen Umstand, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört.

Die Auseinandersetzung mit der Strafverfolgungsbehörde über den Vorsatz darf niemals unterbleiben, obwohl diese schnell den Vorsatz in irgendeiner Form „findet“ und keine tatsächlichen Feststellungen dazu trifft.

 

1.4.3 Rechtswidrigkeit

Eine Handlung, die einen gesetzlichen Straftatbestand erfüllt, ist grundsätzlich rechtswidrig, man sagt: die Tatbestandsmäßigkeit indiziert die Rechtswidrigkeit. Rechtfertigungsgründe können u.a. Notwehr (§ 32 StGB) oder der rechtfertigende Notstand (§ 34 StGB) sein. Man muss zugestehen, dass die Nichtzahlung von Steuern tatsächlich keine Notwehrhandlung oder Notstandshandlung sein wird, obwohl der Steuerpflichtige dieses gerne so empfindet.

1.4.4 Schuld

Schuld ist so zu verstehen, dass der Täter in der Lage sein muss, das Unrecht der Tat einzusehen (Unrechtsbewusstsein) und nach dieser Einsicht zu handeln. Wer vorsätzlich und rechtswidrig gehandelt hat, hat im Regelfall schuldhaft gehandelt. Davon kann allenfalls unter den Umständen des § 20 StGB (Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störung), § 35 StGB (entschuldigender Notstand) oder § 17 StGB (Verbotsirrtum) abgewichen werden.

Von einem Verbotsirrtum nach § 17 StGB spricht man, wenn dem Täter das Unrechtsbewusstsein fehlt. Seine Schuld ist dennoch zu bejahen, wenn dieser Irrtum bei gehöriger Anspannung des Gewissens oder bei Einholung von Rat vermeidbar gewesen wäre. Praktisch bedeutsam ist dieser Aspekt allerdings, wenn der Steuerpflichtige von seinem steuerlichen Berater überzeugt worden ist, dass für die verfolgte Tat keine Steuern zu zahlen sind. Auch diese Feststellung wird durch die Strafverfolgung oftmals nicht praktisch geprüft.

1.5 Der Versuch und der Rücktritt vom Versuch

Die Stadien einer Straftat lassen sich im Regelfall wie folgt darstellen: Entschlussfassung zur Tat, Vorbereitungshandlungen für die Tat, Beginn der Tatausführung (Versuchsstadium), Beendigung der Tat, Vollendung der Tat.

Die reine Entschlussfassung eines Täters wie auch die Vorbereitungshandlungen zu einer Tat werden im Regelfall strafrechtlich nicht erfasst.

Nach § 22 StGB begeht den Versuch einer Straftat, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Mit dem unmittelbaren Ansetzen tritt die Strafbarkeit für den bei Verbrechen stets strafbaren und bei Vergehen nur dann strafbaren Versuch ein, wenn er gesetzlich bestimmt ist. Für die Frage der Strafbarkeit des Täterverhaltens ist daher die Abgrenzung zwischen den straflosen Vorbereitungshandlungen und dem strafbaren Versuch (Unmittelbares Ansetzen zur  Tatausführung) relevant.

Die Abgrenzung zwischen dem Versuch einer Tat und deren Vollendung hat für die Möglichkeit des strafbefreienden Rücktritts gemäß § 24 StGB Bedeutung.

Bei Taten, bei denen bereits der Versuch strafbar ist, kann nur dann von einem Versuch gesprochen werden, wenn die Deliktsvollendung noch nicht eingetreten ist. Diesen Delikten ist gemein, dass der objektive Unrechtstatbestand noch nicht oder noch nicht vollständig erfüllt wurde. Beim Täter muss jedoch der Tatentschluss bezüglich aller auf die Verwirklichung des objektiven Tatentschlusses gerichteten Elemente vorhanden sein und er muss die sonstigen subjektiven Tatbestandselemente erfasst haben. Der Täter selbst muss subjektiv die Schwelle zum „Jetzt-geht-es-los“ überschritten haben und objektiv in der Weise zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung angesetzt haben, dass das von der Norm geschützte Rechtsgut konkret gefährdet ist.

Nach § 24 Abs. 1 1. Alt. StGB wird der Täter straflos, wenn er freiwillig vom Versuch zurücktritt, obwohl nach seiner Vorstellung die Vollendung der Tat noch möglich wäre. Entscheidendes Kriterium ist, dass der Täter sich innerlich und ohne Zwang von dem Unrecht seiner Tat abwendet und dadurch nach außen erkennbar wird, dass er die weitere Verwirklichung der Tat aufgibt. Die Gesetzestechnik unterscheidet dabei zwischen dem Rücktritt vom beendeten und vom unbeendeten Versuch. Die Abgrenzung richtet sich dabei nach der Vorstellung des Täters. Gibt der Täter die weitere Tatausführung auf, die das Stadium des unbeendeten Versuchs noch nicht überschritten hat, kann der Täter schon durch das Aufgeben und das weitere Nichtdurchführen seines Tatentschlusses Straffreiheit erlangen. Beim beendeten Versuch nach § 24 Abs. 1 2. Alt. StGB muss er eine erfolgsverhindernde Tätigkeit entfalten und trägt dabei das Risiko des Gelingens der Erfolgsabwendung.

Die „goldene Brücke“ der Straffreiheit soll dem Täter gebaut werden, der noch vor der Vollendung seiner Tat freiwillig aufgrund seiner geläuterten Einsicht in das Unrecht seiner Tat von dieser ablässt. Belohnt wird hier die freiwillige Aufgabe der kriminellen Verhaltensweise durch den Täter.

Von der „goldenen Brücke“ in die Straffreiheit wird in einem Sonderbereich gesprochen, der nur im Steuerstrafecht besteht. Während bei allen anderen Strafdelikten der vorgeschilderte Aspekt gilt, kann im Steuerstrafecht bei beendeten Delikten ein Absehen von der Strafverfolgung eintreten. Die „Strafbefreiende Selbstanzeige“ stellt diesen Sonderbereich dar.

 

1.6 Was ist der Unterschied zwischen Täterschaft und Teilnahme?

Nach § 369 Abs. 2 AO gelten die strafrechtlichen Regelungen über Täterschaft und Teilnahme auch im Steuerstrafrecht. Der dritte Teil des StGB verwendet als Oberbegriff die Formulierung „Beteiligte“, worunter nach § 28 Abs. 2 StGB sowohl die Täterschaft als auch die Teilnahme zu verstehen ist.

Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst (unmittelbare Täterschaft) oder durch einen anderen (mittelbare Täterschaft) begeht (§ 25 Abs. 1 StGB). Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, wird jeder als Täter (Mittäter) bestraft (§ 25 Abs. 2 StGB). Hinzu kommt die im Gesetz nicht ausdrücklich geregelte Nebentäterschaft.

Als Teilnehmer wird bestraft, wer einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat vorsätzlich bestimmt (Anstiftung § 26 StGB) oder ihm zu einer solchen Tat vorsätzlich Hilfe leistet (Beihilfe § 27 StGB).

1.6.1 Die Täterschaft

Unmittelbarer Täter ist, wer die Tat selbst begeht (§ 25 Abs. 1 1. Alt. StGB).

Mittäterschaft ist die gemeinschaftliche Tatbegehung durch bewusstes und gewolltes Zusammenwirken. Sie beruht auf dem Prinzip des arbeitsteiligen Handelns und der funktionellen Rollenverteilung. Jeder Beteiligte ist „als gleichberechtigter Partner“ Mitträger des gemeinsamen Tatenschlusses (gemeinsamer Tatplan) und der gemeinschaftlichen Tatbestandsverwirklichung (gemeinsame Tatausführung), sodass die einzelnen Tatbeiträge sich zu einem einheitlichen Ganzen vervollständigen und der Gesamterfolg jedem Mitwirkenden voll zuzurechnen ist. Objektiv gesehen muss ein förderlicher Tatbeitrag, etwa die Beteiligung an der Ausführungshandlung selbst, geleistet werden.

Mittelbarer Täter ist, wer die Straftat durch einen anderen begeht (§ 25 Abs. 1 2. Alt. StGB). Hierbei wird der gesetzliche Tatbestand bei einem vorsätzlichen Begehungsdelikt in der Art verwirklicht, dass sich der Täter bei der Tatausführung eines Tatmittlers, also eines menschlichen Werkzeuges, in dem Wissen um sein Strafbarkeitsdefizit, bedient. Dieses kann selbst

-        entweder objektiv tatbestandslos handeln,

-        ohne Tatbestandsvorsatz handeln, oder nur mit einem Vorsatz einer minder schweren Tatbestandsverwirklichung handeln oder ohne die zum subjektiven Vorsatz gehörende spezifischen Absicht handeln,

-        in seiner Person rechtmäßig handeln (Beispiel: Finanzbeamte veranlagt aufgrund einer irreführenden Steuererklärung) oder

-        schuldunfähig sein oder aus anderen Gründen schuldlos handeln.

 

Im Steuerstrafrecht wird ergänzend die Figur des „uneigentlichen Organisationsdeliktes“ bemüht, um eine Täterschaft zu begründen. Es handelt sich um einen angeblich eigenhändigen aber, diesen allein subsumierend, nicht ausreichenden Tatbeitrag zu einer Steuerhinterziehung.

 

1.6.2 Die Teilnahme

Anstiftung und Beihilfe sind von der Existenz einer rechtswidrigen Haupttat i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB abhängig: Die Teilnahme ist akzessorisch zur Haupttat. Ohne eine rechtswidrige Haupttat ist eine Teilnahmehandlung nicht vorstellbar. Schuldhaft verursacht muss die Haupttat nicht sein, denn nach dem Grundsatz der limitierten Akzessorietät wird der Teilnehmer nach seiner eigenen Schuld, und nicht nach der des Haupttäters bestraft. Die Haupttat muss dabei vollendet oder zumindest in das Stadium des strafbaren Versuchs gelangt sein.

Anstifter ist, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Tat bestimmt hat (§ 26 i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB). Bestimmen bedeutet hierbei Hervorrufen des Tatentschlusses. Zur Ausfüllung dieses Merkmals werden die verschiedensten Positionen vertreten. Sicher ist dabei nur, dass nicht jede bloße Information schon eine Anstiftung sein muss.

Beispiel: Banken informieren in Flyern über Anlagemöglichkeiten im Ausland, wo weder Quellensteuern einbehalten noch Informationen gesammelt werden. Der Steuerpflichtige legt nun sein Schwarzgeld bei einer Bank in Singapur an und gibt seine dortigen Zinseinkünfte nicht in Deutschland an. Dieses ist keine Anstiftung zur Steuerhinterziehung, da es zu einer Willensbeeinflussung im Wege eines geistigen Kontakts nicht gekommen ist.

Ein zu einer konkreten Tat schon fest Entschlossener kann nicht mehr angestiftet werden.

Wegen Beihilfe wird bestraft, wer einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat, § 27 StGB. Von der Mittäterschaft unterscheidet sich die Beihilfe durch das Fehlen der Tatherrschaft. Der Gehilfe beschränkt sich auf die Förderung der Haupttat durch deren physische oder psychologische Unterstützung. Diskutiert wird, inwieweit neutrale alltägliche Verhaltensweisen eine Strafbarkeit wegen Beihilfe nach sich ziehen können. Die Transferierung von Geld ins Ausland durch Mitarbeiter von Banken ist Tagesgeschehen. Die Beteiligung von Rechtsanwälten und Steuerberatern an solchen neutralen Geschäften ist ebenfalls nicht ungewöhnlich.

1.7 Die Strafe

Wird die Straftat (objektiver und subjektiver Tatbestand) einschließlich der Rechtswidrigkeit und der Schuld bejaht, ist die Strafe zu verhängen. Diese kann eine Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe sein.

Die Freiheitsstrafe gemäß § 38 StGB beträgt mindestens einen Monat, die Höchststrafe ergibt sich aus den konkreten Strafandrohungen der einzelnen Gesetze. Die Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 AO zeigt eine Obergrenze von fünf Jahren, § 370 Abs. 3 Satz 1 AO nennt für die besonders schweren Fälle der Steuerhinterziehung einen Strafrahmen von der Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu 10 Jahren. Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten wird gemäß § 47 Abs. 1 StGB nur in Ausnahmefällen verhängt.

Die Geldstrafe wird nach § 40 Abs. 1 StGB in Tagessätzen verhängt, wobei mindestens fünf und höchstens 360 Tagessätze, allerdings bei Tatmehrheit auch 720 Tagessätze festgesetzt werden (§ 54 Abs. 2 StGB). Die Höhe des Tagessatzes bestimmt sich nach dem durchschnittlichen Nettoeinkommen des Täters und soll zwischen 1 EUR und höchsten 5.000 EUR betragen. § 46 StGB enthält gewisse Grundsätze der Strafzumessung, die auch bei der Geldstrafe anzuwenden sind.

1.8 Die Verjährung der Straftat

Wenn eine Straftat verjährt ist, kann eine Strafverfolgung oder eine Strafvollstreckung nicht mehr stattfinden. Die Verjährung richtet sich nach den allgemeinen Regeln der Verjährung des StGB gemäß den §§ 78 ff. StGB und § 376 AO, der insoweit Sondervorschriften enthält.

Die Verjährungsfrist im Steuerstrafrecht beträgt regelmäßig fünf Jahre, liegt allerdings eines der in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 5 AO genannten Regelbeispiele für eine Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall vor, verjährt diese Tat erst in zehn Jahren. Bei der Berechnung der Strafverfolgungsverjährung ist zwischen Fristdauer, Fristbeginn und Unterbrechung zu unterscheiden.

Im Steuerstrafrecht muss der weitere Blick immer auf die Festsetzungsverjährung der Steuern gerichtet sein. Dieses unterliegt eigenen Regeln.

1.9 Das Ordnungswidrigkeitenrecht (OWiG)

Neben dem Strafrecht besteht als zweites Gebiet das Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG). Vereinfacht kann man sagen, dass es sich um ein Sanktionsrecht handelt, das angewandt wird, wenn gegen solche Verhaltensnormen verstoßen wird, die nicht die Tiefe der Missbilligung eines Straftatbestandes erfüllen. Ordnungswidrigkeiten sind häufig nicht im OWiG selbst geregelt, sondern über die verschiedenen Spezialgesetze (Straßenverkehr, Umweltrecht etc.) verteilt.

Verfolgungsbehörde ist nicht die Staatsanwaltschaft, sondern die jeweils funktional zuständige Verwaltungsbehörde. Strafandrohung ist im Regelfall die Geldbuße, welche in beträchtliche Höhe steigen kann.

Die steuerlichen Ordnungswidrigkeiten sind in den §§ 377 ff. AO gesondert geregelt.

 

1.10 Das Strafverfahrensrecht (StPO)

Ausgangspunkt eines Strafverfahrens ist, dass der Staat in der Form der Staatsanwaltschaft aufgrund des in § 152 Abs. 2 StPO niedergelegten Legalitätsprinzips verpflichtet ist, jedem Verdacht einer Straftat nachzugehen und, sofern ein hinreichender Tatverdacht gegeben ist, Anklage zu erheben. Die Anklage wird vom Strafgericht im sogenannten Zwischenverfahren geprüft. In diesem wird, wenn die Anklage zugelassen wird, der Eröffnungsbeschluss erlassen. Dieser leitet in die Hauptverhandlung über.

Innerhalb der Hauptverhandlung entscheidet das Gericht durch Urteil gemäß § 260 StPO über Schuld und Strafe, nachdem es die Beweise aus der Anklage und der Verteidigung gewürdigt hat.

Durch ein Rechtsmittel kann der Inhalt des Urteils geprüft werden. In der Revision wird ein Urteil auf Rechtsfehler überprüft, in der Berufung werden zusätzlich die Tatsachen neu überprüft.

Ein Verfahren mit vereinfachter Vorgehensweise, das oftmals im steuerstrafrechtlichen Bereich eingesetzt wird, ist das Strafbefehlsverfahren gemäß § 407 StPO. Hierbei schlägt die Staatsanwaltschaft gleichsam ein Urteil vor, ohne eine Hauptverhandlung durchführen zu wollen. Der Richter hat diesem Antrag zu entsprechen, wenn dem Erlass eines beantragten Strafbefehls keine Bedenken entgegenstehen. Wenn der Verteidiger hiergegen keinen Einspruch geltend macht, kommt ein Urteil ohne Verhandlung zustande. Auf dieses Verfahren kann sogar während einer laufenden Hauptverhandlung ausgewichen werden.

Oftmals ist zu beobachten, dass die Absprache zwischen Staatsanwaltschaft, Richter und dem Beschuldigten bzw. seinem Verteidiger einen faktischen Verfahrensbestandteil darstellt. Alle Beteiligten haben eigene Motive, ein umfangreiches Verfahren zu vermeiden. Staatsanwaltschaft und Richter können dem Staat eine umfangreiche Verhandlung ersparen; der Beschuldigte hat oftmals Interesse daran, die Peinlichkeit einer Hauptverhandlung zu vermeiden und für den Verteidiger bietet sich die Möglichkeit, die Schuld seines Mandanten im unaufgeklärten Bereich zu lassen oder diese zumindest in einen Bereich zu drücken, in dem diese als gering anzusehen wäre. Ziel ist oftmals die Einstellung des Verfahrens gemäß § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldsumme, genannt Auflage.

Solche Urteilsabsprachen sind gesetzlich in § 257c StPO geregelt, welcher gemäß seines Abs. 1 „in geeigneten Fällen“ die Möglichkeit vorsieht, dass das Gericht sich mit allen Verfahrensbeteiligten über den Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigt. Das dabei einzuhaltende Prozedere richtet sich im Wesentlichen nach den Absätzen 2 bis 5, wobei weitere neue oder geänderte Vorschriften dieses Prozedere ergänzen bzw. daran anknüpfen.

Die sogenannte „Kronzeugenregelung“ des § 46b StGB bestimmt, dass eine strafrahmenverschiebende Milderung und in bestimmten Fällen ein Absehen von Strafe ermöglicht wird, wenn der Täter einer nicht der einfachen Kriminalität zuzurechnenden Straftat Aufklärungs- oder Präventionshilfe in Bezug auf eine Tat der Schwerstkriminalität oder der mittelschweren Kriminalität leistet, für die tendenziell ein Ermittlungsdefizit des Staates zu beklagen ist. Um dem Missbrauch der Kronzeugenregelung vorzubeugen, wurde die Strafandrohung für das Vortäuschen einer Straftat oder für falsche Verdächtigung auf bis zu fünf Jahre erhöht.

 

 

 

 

Steuerrecht "aus dem Leben"

Steuerrecht ist in der konkreten Anwendung superspannend. Für Interessierte (nicht nur Kollegen) haben wir eine sytematische Zusammenstellung des

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