Cum/Ex: 20jährige Verjährungsfrist im Strafrecht!?
Das Bundesfinanzministerium vertritt aktuell den Standpunkt, dass in Cum/Ex-Fällen die maximal mögliche STRAFrechtliche Verjährungsfrist 20 Jahre beträgt. Die Befürchtung, die von Steuerfahndern in Nordrhein-Westfalen geäußert wurden, dass eine Vielzahl von Cum/Ex-Fällen aufgrund von Personalmangel verjähren würden, weist das Bundesfinanzministerium (BMF) daher zurück. Das BMF bezieht sich auf die Vorschrift des § 376 Absatz 1 der Abgabenordnung (AO), der für Fälle der schweren Steuerhinterziehung eine Verjährung von 10 Jahre vorsieht. [EXKURS: Die Vorschrift wurde Ende 2008 geändert, wir hatten bereits mehrfach auf unserer Homepage über die "bewegte Geschichte" dieser neuen Vorschrift berichtet, insbesondere über die Frage, ob die Verlängerung der Verjährung auch für Fälle vor 2008 gilt: https://korts.de/index.php/archiv/108-2013-april/589-bgh-10jaehrige-verjaehrungsfrist-bei-steuerhinterziehung-auch-qrueckwirkendq-anwendbar ] Die 10jährige Verjährung ist allerdings nicht absolut, sondern diese kann durch verschiedene Maßnahmen immer wieder unterbrochen oder gehemmt werden. Allerdings bestimmt die Vorschrift des § 78c Absatz 3 Strafgesetzbuch (StGB) eine absolute Verjährungsgrenze: das Doppelte der Verjährungsfrist, in diesem Fall also 20 Jahre. Nach Ablauf der 20 Jahre ist keine Veurteilung mehr möglich. Eine weitere Besonderheit ist noch bei Tätern zu beachten, die sich im Ausland (außerhalb der EU!) aufhalten: Nach § 78b Absatz 5 StGB kann hier die Verjährung sogar länger als das Doppelte (hier: 20 Jahre) laufen. Dies betrifft also zum Beispiel Täter, die in der Schweiz (oder bald Großbritannien) sich aufhalten.BGH will Verjährung bei Schwarzarbeit (§ 266a StGB) begrenzen
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshof (BGH) hat mit einem Beschluss vom 13.11.2019 bei den anderen Strafsenaten des BGH angefragt, ob diese einer Änderung der Rechtsprechung zur Verjährung bei "Schwarzarbeit" (§ 266a StGB - Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt -) zustimmen. Nach bisher geltenden Rechtsprechung (zuletzt 2018 nochmal bestätigt) verjährt die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträge "offiziell" nach 5 bzw. 10 Jahren, rein faktisch jedoch erst nach 35 Jahre! Dies liegt daran, dass die STRAFrechtliche Verjährung erst dann beginnt, wenn die SOZIALversicherungsrechtliche Verjährung beendet ist, letztere Verjährung beläuft sich jedoch auf 30 Jahre. Bereits in der Vergangenheit ist diese Rechtsansicht vehement kritisiert worden, da eine 35jährige Verjährungsfrist in der Bereicht der "Schwerstkriminalität" gehört und nicht in den Bereich von Sozialversicherungsbetrug. Ferner führt das bisherige Modell die eigentlich vom Gesetzgeber für diese Fälle angeordnete Verjährung von 5 bzw. 10 Jahre ad absurdum. Sollten sich die anderen Strafsenate der Ansicht des BGH anschließen, so dürfte dies zu einer erheblichen Entschärfung im Bereich der Verurteilungen bei "Schwarzarbeit" führen. Dies dürfte ferner auch Auswirkungen auf das erneute Instrument der Vermögenseinziehung bei Straftaten haben, da die Gerichte nunmehr nicht so weit in die Vergangenheit "greifen" dürfen. AKTUALISIERUNG vom 28.07.2020: Bereits 2 Strafsenate haben sich der neuen Rechtsansicht des 1. Strafsenats angeschlossen - es scheint sicher, dass die Änderung der Rechtsprechung zur Verjährung kommen wird.BVerfG: Kosten des Erststudium/-ausbildung steuerlich nicht abzugsfähig
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat am 10.01.2020 endgültig über die Streitfrage entschieden, ob Kosten des Erststudiums/-ausbildung steuerlich abzugsfähig sind: Das BVerfG verneint dies und hält deshalb die dementsprechende gesetzliche Regelung in § 9 Absatz 6 Einkommensteuergesetz (gültig ab 2004) für verfassungskonform. Nach Ansicht des BVerfG war der Gesetzgeber berechtigt mit § 9 Absatz 6 EStG diese Kosten als nichtabzugsfähig einzustufen, da dasErststudium/-ausbildung zum Teil auch "privat" veranlaßt ist und das Steuerrecht privat (mit)veranlasste Kosten im Grundsatz nicht zum Abzug zulässt.BFH zu Haftung des GmbH-Geschäftsführer für Schulden
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 17.09.2019 entschieden, dass ein der vormalige Geschäftsführer einer insolventen GmbH für die Lohnsteuer in voller Höhe haftet, wenn diese widerspruchslos zu Insolvenztabelle festgestellt wird. Dies ist gilt jedoch nur insoweit, als der Geschäftsführer selbst als Gläubiger am Insolvenzverfahren beteiligt gewesen ist und die Möglichkeit gehabt hätte, gegen die Anmeldungen des Finanzamtes zur Insolvenztabelle Widerspruch einzulegen. Hat der Geschäftsführer dies jedoch versäumt und ist die Forderung des Finanzamtes festgestellt, so wirkt die Feststellung auch gegenüber dem Geschäftsführer wie ein Urteil (§ 178 Absatz 3 InsO). Der BFH stellt ferner (nochmals) klar, dass ein Geschäftsführer sich nicht auf seine (steuerliche) Unerfahrenheit oder Unvermögen, seinen GF-Aufgaben nachzukommen, berufen kann. Vielmehr hat der Geschäftsführer in diesen Fällen sein Geschäftsführeramt unverzüglich niederzulegen bzw. er hätte es schon gar nicht übernehmen sollen.NEU: GmbH-Geschäftsführer verliert Amt auch bei Teilnahme an Straftat
Der Bundesgerichtshof hat mit einem Grundsatzurteil vom 03.12.2019 entschieden, dass ein GmbH-Geschäftsführer sein Amt auch dann nicht mehr ausüben darf, wenn er „nur“ als Teilnehmer einer Insolvenzstraftat verurteilt wird (§ 6 Absatz 2 Nr. 3 GmbH-Gesetz). Im vorliegenden Fall war ein GmbH-Geschäftsführer- in einem Fall der nicht seine GmbH betraf- wegen Beihilfe zum Bankrott zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen verurteilt worden, hierbei entfielen 60 Tagessätze als Einzelstrafe auf eine Insolvenzstraftat. Hierauf wollte ihn das Amtsgericht als Geschäftsführer aus dem Handelsregister löschen. Der Geschäftsführer widersprach und argumentierte, dass § 6 Absatz 2 Nr. 3 GmbH-Gesetz eine Löschung nur um Falle einer Verurteilung als TÄTER ermögliche – er sei jedoch „nur“ wegen Beihilfe (=Teilnahme) verurteilt worden. Bisher war eine starke Meinung in der juristischen Literatur davon ausgegangen, dass der Geschäftsführer sein Amt nur dann nicht antreten darf bzw. nachträglich wieder verliert, wenn er als TÄTER verurteilt wird. Dieser Ansicht hat der BGH nun eine Absage erteilt.Weitere Beiträge...
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