BFH: Deutsches Besteuerungsrecht bei Zahlung eines sog. signing bonus

Der Bundesfinanzhof hat sich mit Urteil vom 11.4.2018, I R 5/16, zum Besteuerungsrecht bei der Gewährung eines sogenannten "signing bonus" geäußert. Ein deutscher Arbeitergeber hatte einem in der Schweiz wohnenden (zukünftigen) Mitarbeiter zum Abschluss des Dienstvertrages eine Abschlusszahlung angekündigt und später auch gezahlt. Die Zahlung stand unter der Bedingung, dass der Arbeitnehmer mindestens 5 Jahre seine Tätigkeit für den Arbeitgeber ausübt. Der Arbeitgeber betrachtete die Zahlung als lohnsteuerfrei da die Zahlung nicht in Zusammenhang mit Lohnzahlungen stehe, ferner weise Artikel 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers (Schweiz) zu. Das Finanzamt vertrat (natürlich) die gegenteilige Auffassung. Nachdem das FG München dem Arbeitgeber Recht gegeben hatte, hob nunmehr der BFH auf Revision des Finanzamtes das Urteil auf und gab dem Finanzamt Recht: Bei der Abschlusszahlung handelt es sich um Lohn im Sinne § 2 Abs. 2 Nr. 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung. Nach dieser Vorschrift gehören zum Arbeitslohn auch Einnahmen im Hinblick auf ein künftiges Dienstverhältnis. Es entspricht daher allgemeiner Meinung, dass z.B. vor Arbeitsvertragsschluss geleistete Handgelder und Antrittsprämien zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit rechnen. Ferner steht Deutschland als Tätigkeitsstaat und nicht der Schweiz als Ansässigkeitsstaat. Das FG München habe den Passus des Art. 15 Absatz 1 Satz 2 DBA Schweiz "dafür bezogene" Vergütung falsch ausgelegt. Zum einen setze das DBA Schweiz nicht voraus, dass die Arbeitstätigkeit und die Zahlung unmittelbar aufeinander folgen, zum anderen handelte es sich nicht um einen "anlasslose" Zahlung, sondern die Zahlung stand im Zusammenhang mit der späteren Tätigkeit für den deutschen Arbeitgeber (siehe die Rückzahlungsreglung!).

FG Düsseldorf: Unterschlagung kann zu Schenkungsteuer führen

Zu einem etwas überraschenden Ergebnis ist das FG Düsseldorf in einem am 30.09.2018 veröffentlichten Urteil (4 K 1652/16 Erb) gekommen: Eine Unterschlagung kann Schenkungsteuer auslösen. In dem entschiedenen Fall hatte eine Buchhalterin einem Bekannten in einer (angeblichen) finanziellen Notsituation helfen wollen und die Buchhaltung eines Unternehmens derart manipuliert, dass Zahlungen von/an das Unternehmen auf falschen Bankkonten landeten und letztendlich ihrem Bekannten zuflossen. Das Finanzamt sah dies in steuerlicher Hinsicht als Schenkung der Buchhalterin an ihren Bekannten an und erließ 17 Schenkungsteuerbescheide gegen den Bekannten. Das Finanzgericht folgte im Ergebnis der Ansicht des Finanzamtes: Obwohl die Zahlungen zum Großteil direkt von Konten des Unternehmens erfolgten und nicht von Konten der Buchhalterin, seien die Zahlungen im Sinne einer Zuwendung der Buchhalterin an den Bekannten zuzurechnen. In steuerlicher Hinsicht habe sich die Buchhalterin die fraglichen Geldbeträge im Moment der falschen Zahlungsanweisungen angeeignet und im gleichen Moment diese dem Bekannten zugewendet.

FG Münster zur Verzinsung von Steuerforderung: 2014 bis 2015 nicht höher als 3% p.a.

Das Finanzgericht Münster hat einem Verfahren über einstweiligen Rechtsschutz entschieden, dass auch für die Zeiträume vor 2015 der gesetzliche Zinssatz des §§ 233a, 238 AO (6% p.a.) zum Teil verfassungswidrig ist. Ausgehend von dem allgemeinen Zinsniveau hält das Gericht selbst bei typisierender Betrachtung einen Zinssatz in Höhe von 6% p.a. für außerhalb einer dem Gesetzgeber zuzustehenden Bandbreite. Allerdings kann sich das FG Münster nicht zu einer vollständigen Verwerfung der Norm bzw. des Zinssatzes entschließen: Das FG Münster geht davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht (welchem allein die Kompetenz zur Verwerfung eines Gesetzes zusteht) dem Gesetzgeber die Möglichkeit einräumen wird Rechtslage rückwirkend verfassungsgemäß zu gestalten. Nach Ansicht des FG Münster könnte in diesem Fall ein neuer Zinssatz von 3% p.a. für angemessen erachtet werden.

Brexit und englische Limited (Ltd.) in Deutschland: Verlust der Haftungsbeschränkung

Mit dem Ausscheiden von Großbritannien aus der EU (Brexit) ergeben sich auch Änderungen für englischen Limited (Ltd.) mit "Hauptsitz" in Deutschland. Bisher ist nicht erkennbar, dass zwischen Großbritannien und die EU eine Austrittsvereinbarung zustande kommt. Es muss daher von einem "unkontrollierten" Austritt ausgegangen werden. In diesem Fall werden die englischen Ltd. ihre Haftungsbeschränkung verlieren. Sie werden nicht mehr als Kapitalgesellschaft angesehen, sondern als GbR oder Personenhandelsgesellschaft, bei einer Einpersonnen-Ltd. als Einzelkaufmann/Einzelunternehmer. Damit würden die jeweiligen Ltd.-Gesellschafter mit ihrem gesamten Privatvermögen für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften. Unsere Kanzlei ist seit Jahren mit der Beratung von englischen Ltd. mit "Hauptsitz" in Deutschland befasst, gerne beraten wir Sie, welche Vorkehrungen Sie für sich und ihre Ltd. treffen können, falls es zu einem unkontrollierten Brexit kommen sollte.

BFH: Schwarzeinnahmen können jedem GmbH-Gesellschafter quotal als vGA persönlich zugerechnet werden

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem Beschluss vom 12.06.2018 (VIII R 38/14) festgehalten, dass "Schwarzeinnahmen" (nicht gebuchte Betriebseinnahmen) einer GmbH jedem(!) Gesellschafter quotal als sogenannte verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) zugerechnet werden können und damit entsprechende Einkommensteuerforderungen gegen diese Gesellschafter begründen können. Dies gilt auch dann, wenn zwar fest steht, dass es zu Schwarzeinnahmen gekommen ist, wenn jedoch unklar ist, ob und in welcher Höhe diese Gelder (an welchen) Gesellschafter weitergeflossen sind. Das Finanzamt muss nur hinreichend darlegen, dass es zu "Schwarzeinnahmen" gekommen ist und dass diese Einnahmen an die Gesellschafter geflossen sind. Die Gesellschafter sind sodann nach § 90 AO verpflichtet, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken und die in ihrer Sphäre und ihrem Wissen liegenden Umstände offen zu legen. Ob nicht verbuchte Einnahmen betrieblich verwendet oder den Gesellschaftern außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung zugeflossen sind, können nur die Gesellschafter und Gesellschafter-Geschäftsführer nachweisen. Verweigern sie ihre Mitwirkung, geht dies zu ihren Lasten. Es ist dann im Zweifel davon auszugehen, dass der zusätzliche Gewinn an die Gesellschafter entsprechend ihrer Beteiligungsquote ausgekehrt worden ist (s. zum Ganzen BFH-Urteile in BFHE 207, 549, BStBl II 2005, 160, unter II.3.; in BFH/NV 2014, 1501, Rz 16). Dies gilt zu Lasten des Gesellschafters auch, wenn der Verbleib nicht verbuchter Betriebseinnahmen unaufklärbar ist (BFH-Urteile in BFHE 207, 549, BStBl II 2005, 160, unter II.3.; in BFH/NV 2014, 1501, Rz 16). Die nicht feststehende betriebliche Verwendung der Mittel auf Ebene der Kapitalgesellschaft einerseits und deren nicht nachgewiesene Zuwendung an andere Empfänger als den oder die Gesellschafter andererseits indizieren eine durch das Gesellschaftsverhältnis verursachte quotale Auskehrung der Mehreinnahmen an alle Gesellschafter und den entsprechenden Zufluss der vGA.

Steuerhinterziehung: Apotheker verliert Betriebserlaubnis

Das Verwaltungsgericht Aachen hat in 1. Instanz den Widerruf einer Apothekenbetriebserlaubnis wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung bestätigt. Der Apotheker darf nicht mehr eigenständig eine Apotheke betreiben, möglich ist jedoch weiterhin eine Tätigkeit im Angestelltenverhältnis. Der Apotheker soll über Jahre in seiner Apotheke eine Manipulationssoftware eingesetzt haben und zudem die mit den verschwiegenen Einkünften erzielten Kapitaleinkünfte nicht erklärt haben. Insgesamt soll so ein Steuerschaden in Höhe von ca. EUR 238.000,-- entstanden sein. Für die Behörde war dies Anlaß die apothekenrechtliche Zuverlässigkeit des Apothekers zu verneinen und ihm die Betriebserlaubnis für seine Apotheke zu entziehen. Das Verwaltungsgericht Aachen bestätigte nun den Widerruf. Gegen die Entscheidung ist die Zulassung der Berufung zum OVG Münster möglich. Zugleich hat die Apothekerkammer dem Apotheker die Approbation entzogen - das Klageverfahren gegen diese Entscheidung läuft jedoch noch.

Umsatzsteuer: BFH ändert Rechtsprechung zu Unternehmenssitz

Der Bundesfinanzhof hat mit zwei am 01.08.2018 veröffentlichten Urteilen seine bisherige Rechtsprechung zu zwingenden Rechnungsangaben abgemildert. Bisher hatte der BFH die Ansicht vertreten, dass der leistenden Unternehmer nicht nur seinen satzungsmäßigen Sitz, sondern auch den Ort angeben muss, an welchem das Unternehmen seine Tätigkeit tatsächlich ausübt. Nachdem jedoch der EuGH diese Rechtsansicht als zu streng abgelehnt hat, hat nunmehr auch der BFH seine Rechtsprechung geändert. Die neue Rechtsprechung erleichtert dem Leistungsempfänger die Geltendmachung des Vorsteuerabzuges – in vielen Fällen monierte das FA die Angaben zum Sitz des leistenden Unternehmens als „Scheinsitz“. Nach der neuen Rechtsprechung des BFH ist nunmehr aber auch eine "Briefkastenanschrift" des leistende(!) Unternehmers in der Rechnung ausreichend.

GoBD – Finanzämter prüfen verstärkt Kassenbuchführung

GoBD – „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff“, so lautet das „neue“ Schreckenswort in der Betriebsprüfung. Zwar gelten die Grundsätze bereits seit dem 01.01.2015, doch naturgemäß zeigen sich die ersten Auswirkungen erst bei nunmehr laufenden Betriebsprüfungen, welche die Veranlagungszeiträume ab 2015 mit einschließen. Mit den GoBD wollte die Finanzverwaltung zum einen intern an das elektronische Zeitalter aufschließen (Stichwort: elektronische Betriebsprüfung, Prüfungssoftware etc.), zum anderen wollte die Finanzverwaltung sicherstellen, dass auch im elektronischen Zeitalter die Grundsätze der ordnungsgemäßen Buchführung (GoB) auf elektronische Unternehmensdaten Anwendung finden. Zu diesem Zweck wurde über die GoBD eine umfangreiche Pflicht zur Dokumentation und revisionssicheren Speicherung von elektronischen Unternehmensdaten eingeführt und wurde diese Pflicht auch auf elektronische „Vor- und Nebensysteme“ ausgedehnt. Diese umfangreichen Speicherungspflichten bzw. die vermeintlichen Verstöße hiergegen bilden aktuelle Einfallstore für die Betriebsprüfung, um insbesondere die Ordnungsgemäßheit der Kassenführung anzugreifen. Dies führt zu großer Unsicherheit bei den Steuerpflichtigen, nicht nur was die Altjahre (ab 2015) angeht, sondern auch die aktuelle Buchhaltung. Da noch keine Rechtsprechung zu den GoBD existiert, ist der Steuerpflichtige auf die Erfahrung und die Kenntnisse des Beraters auf dem Feld der Buchführung und der Begleitung von Betriebsprüfungen angewiesen. Da wir ständig (streitige/konfrontative) Betriebsprüfungen begleiten, geben wir Steuerpflichtigen oder deren Steuerberater gerne Hilfestellung oder ergänzende Begleitung in diesem Verfahrensstadium.

US-Kanzleien in Deutschland: Unterlagen können beschlagnahmt werden

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass US-Kanzleien in Deutschland nur einen sehr eingeschränkten Grundrechtsschutz genießen. Aus diesem Grund ist es zulässig, wenn die Staatsanwaltschaft dort Unterlagen beschlagnahmt und auswertet. Auch wenn die US-Kanzlei in Deutschland „deutsche“ Rechtsanwälte beschäftigt, verhindert dies nicht die Durchsuchung und Beschlagnahme. Im konkreten Fall war eine der größten Kanzleien weltweit (über 2.500 Rechtsanwälte) von einer Durchsuchung im Zusammenhang mit dem VW-Abgasskandal betroffen. Die Kanzlei war von dem Mutterkonzern mit einer umfassenden internen Untersuchung des Abgasskandals beauftragt worden und hatte eine Vielzahl von -internen- Unterlagen zusammengetragen und Mitarbeiter befragt. (2 BvR 1405/17, 2 BvR 1780/17, 2 BvR 1562/17, 2 BvR 1287/17, 2 BvR 1583/17)

U.S. Supreme Court erlaubt US-Bundesstaat Besteuerung von Online-Händlern

Der Verfassungsgerichtshof (US Supreme Court) der USA hat am 21.06.2018 (SOUTH DAKOTA v. WAYFAIR, INC.) eine Grundsatzentscheidung bezüglich der Besteuerung von Onlinehändlern getroffen. Es ist nunmehr den US-Bundesstaaten erlaubt, von Onlinehändlern den Einbehalt und die Abführung von Steuern an den US-Bundesstaat zu verlangen - auch wenn der Onlinehändler kein Lager oder eine andere physische Präsenz in diesem Bundesstaat unterhält. Der Verfassungsgerichtshof hat sich mit seiner Entscheidung über eine alte Entscheidung aus dem Jahr 1992 (Quill Corp. v. North Dakota, 504 U.S. 29)hinweggesetzt bzw. diese ausdrücklich aufgehoben! Nach der Entscheidung aus dem Jahr 1992 waren die steuerlichen Verpflichtung ausdrücklich an eine physische Präsenz im US-Bundesstaat geknüpft. Der Bundesstaat South Dakota bezifferte seine Einannahmeausfall seit der Entscheidung im Jahr 1992 auf jährlich 48 bis 58 Millionen US-Dollar. Die Entscheidung des US Supreme Court dürfte richtungsweisend sein für entsprechende Bestrebungen der EU-Staaten gegenüber Onlinehändlern.

Umsatzsteuer: Angabe zu Leistungszeitpunkt nicht absolut zwingend!

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 01.03.2018, V R 18/17, entschieden, dass eine Rechnung für Zwecke des Vorsteuerabzuges nicht zwingend eine ausdrückliche Angabe des Leistungszeitpunktes aufweisen muss: Weist die Rechnung ein Rechnungsdatum aus und ergibt sich aus den Umständen des Einzelfalls bzw. der Branchenüblichkeit, dass die Lieferung oder sonstige Leistung in dem Monat der Rechnungsstellung ausgeführt wurde, so muss die Rechnung nicht zusätzlich ein gesonderte Angabe des Leistungszeitpunktes aufweisen. Dieses Urteil schafft eine erhebliche Erleichterung für Unternehmen, da bisher sehr strenge Anforderungen an die Angabe des Leistungszeitpunktes gestellt wurden. Allerdings ist eine gewisse Vorsicht angebracht, da es keine gefestigte Rechtsprechung zur der Frage gibt, bei welchen Branchen üblicherweise Lieferung/sonstige Leistung mit sofortiger/monatlicher (Ab)Rechnung einhergehen.

EuGH: Gewinnzurechnung bei nicht fremdüblichen Geschäften zwischen verbundenen Gesellschaften

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einer „Grundsatzentscheidung“ vom 31.05.2018 (C-382/16, Hornbach-Baumarkt) die deutsche Regelung des § 1 Außensteuergesetz (AStG) für rechtmäßig erachtet: § 1 AStG erlaubt der Finanzverwaltung die Hinzurechnung von Erträgen, wenn bei Geschäften zwischen deutschen und ausländischen nahestehenden Personen/Gesellschaften der Fremdvergleichsgrundsatz nicht eingehalten wird. Der EuGH hält diese Regelung zwar für eine Beschränkung der EU-Niederlassungsfreiheit, jedoch sei diese Beschränkung gerechtfertigt, da die Regelung den Zweck verfolgt, eine ausgewogene Verteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren. Der EuGH gibt in der Entscheidung allerdings zu bedenken, dass ein nicht fremdübliches Geschäft zwischen nahestehenden Personen jedoch gerechtfertigt sein kann, wenn es sich gerade aus der (wirtschaftlichen) Verflechtung der Gesellschaften ergibt. So kann es gerechtfertigt sein, dass eine (inländische) Muttergesellschaft eine Haftungs-/Patronatserklärung für eine (ausländische) Tochtergesellschaft abgibt, ohne hierfür von der Tochtergesellschaft ein Entgelt zu erhalten.

BFH: Verzinsung von Steuerschulden ab 2015 verfassungswidrig

Der Bundesfinanzhof hat in einer am 14.05.2018 veröffentlichten Entscheidung mitgeteilt, dass er die gesetzliche festgelegte Verzinsung von Steuerschulden in einer Höhe von 0,5% pro Monat (6% p.a.) ab dem Jahre 2015 für verfassungswidrig hält: Der gesetzlich festgelegte Zinssatz überschreite den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität erheblich, da sich im ab 2015 bis 2017 ein niedriges Marktzinsniveaus strukturell und nachhaltig verfestigt habe. Aufgrund des Fortschritts in der elektronischen Datenverarbeitung sei es der Finanzverwaltung zwischenzeitlich möglich, den Zinssatz an den aktuellen Marktzins oder den Basiszinssatz im Sinne § 247 BGB anzupassen.

Rechtswidriger Übergang von USt-Nachschau zur USt-Sonderprüfung

Das FG Hamburg hat mit Urteil vom 09.01.2018 festgestellt, dass das Finanzamt nicht „ohne weiteres“ von einer USt-Nachschau zu einer USt-Sonderprüfung übergehen kann. Zwar kann das FA nach § 27b UStG jederzeit eine USt-Nachschau durchführen und nach § 27b Absatz 3 Satz 1 UStG zu einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung übergehen, jedoch verlangt das Gesetz, dass „die bei der Umsatzsteuer-Nachschau getroffenen Feststellungen hierzu Anlass geben“ müssen. In dem vorliegenden Fall waren dem FA bereits vor der USt-Nachschau Verdachtsmomente bekannt, diese konnten aber aufgrund der USt-Nachschau nicht weiter verifiziert werden, weshalb die Prüferin im Termin sogleich zur USt-Sonderprüfung überging und sich die Daten des Kassensystems (für Zeiträume welche NICHT von der USt-Nachschau betroffen waren) aushändigen ließ. Erst nach Auswertung dieser Daten konnte der Verdacht gegen den Steuerpflichtigen erhärtet werden. Das FG Hamburg hielt den Übergang zu der USt-Sonderprüfung für rechtswidrig, da die Feststellungen bei der USt-Nachschau den bestehenden Verdacht gerade NICHT erhärtet hatten. Aus Sicht des FG Hamburg handelte es sich bei der USt-Nachschau um eine vorgeschobene Außenprüfung (ohne vorherige Ankündigung).

Internationaler Informationsaustausch: Finanzamt muss Steuerpflichtigen (nur) bei konkreter Verwendung über Daten aus dem Ausland informieren

Über das Bundeszentralamt für Steuern in Bonn läuft verwaltungstechnisch der gesamte deutsche Auskunftsverkehr mit ausländischen Finanzbehörden. Sämtliche Rechtsstreitigkeiten bezüglich dieser Thematik landen daher vor dem örtlich zuständigen Finanzgericht Köln. Das FG Köln hat kürzlich entschieden, dass ein Finanzamt nicht verpflichtet ist, den Steuerpflichtigen über die Daten zu informieren, welche eine ausländische Finanzverwaltung den deutschen Steuerbehörden im Rahmen des Informationsaustausches zur Verfügung gestellt hat. Nach Ansicht des FG Köln hat der Steuerpflichtige zwar nach § 19 Absatz 1 BDSG ein Recht über die Speicherung der ihn betreffenden Daten informiert zu werden, allerdings sehe § 19 Absatz 4 Nr. 1 BDSG ein Auskunftsverweigerungsrecht der Behörde vor, wenn „die Auskunft die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit der verantwortlichen Stelle liegenden Aufgaben gefährden würde“. Diese Ausnahmevorschrift sei im vorliegenden Fall erfüllt, denn die pauschale Auskunft über alle von der ausländischen Behörde mitgeteilten Daten würde die effektive Steuerverwaltung bzw. die Ermittlungsmöglichkeiten der Behörden erschweren. Verwende die Finanzbehörde allerdings die erlangten Informationen im Festsetzungsverfahren, so habe der Steuerpflichtige die Möglichkeit und das Recht nunmehr über die betreffenden Daten informiert zu werden und diese zu widerlegen.

Strafbefreiende Selbstanzeige: Sperrgrund der Tatendeckung durch ausländische Behörde

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 09.05.2017 (1 StR 265/16) entschieden, dass eine strafbefreiende Selbstanzeige bereits dann nicht mehr möglich ist, wenn die Tat von einer ausländischen(!) Behörde entdeckt ist. Die Tatentdeckung stellt nach § 371 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 AO einen sogenannten "Sperrgrund" dar. In derselben Entscheidung hat der BGH ferner die Anforderungen an eine "Tatentdeckung" herabgesetzt. Vor der Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige bedarf es daher einer sorgfältigen Prüfung und Beratung, um die "Erfolgsaussichten" einer solchen verlässlich einschätzen zu können: Eine Tatentdeckung im Sinne des § 371 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO liegt nach Ansicht des BGH dann vor, wenn bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben ist Dabei dürfen die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeitsprognose nicht überspannt werden, weil sie auf einer (noch) schmalen Tatsachenbasis erfolgen muss. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf der Begriff des Entdeckens der Tat im Sinne des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO mit den üblichen strafprozessualen Verdachtsgründen NICHT gleichgesetzt werden, weil ihm ein eigenständiger Bedeutungsgehalt zukommt. Demzufolge ist für eine Tatentdeckung WEDER ein hinreichender Tatverdacht im Sinne von § 170 Abs. 1, § 203 StPO erforderlich, NOCH, dass der Täter der Steuerhinterziehung bereits ermittelt ist. Vielmehr genügt es, dass konkrete Anhaltspunkte für die Tat als solche bekannt sind. Die in § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO enthaltene Definition der Tatentdeckung enthält eine doppelte, zweistufige Prognose. Zunächst ist - auf der Grundlage der vorhandenen, regelmäßig noch unvollständigen Informationen - die Verdachtslage, und zwar vorläufig, zu bewerten. Aufbauend auf dieser bloß vorläufigen Bewertung muss der Sachverhalt, auf den sich der Verdacht bezieht, zudem rechtlich geeignet sein, eine Verurteilung wegen einer Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit zu rechtfertigen. Ist das Vorliegen eines Sachverhalts wahrscheinlich, der die Aburteilung als Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit rechtfertigen würde, ist die Tat entdeckt.. Eine Entdeckung der Tat ist bei verschleierten Steuerquellen bereits vor einem Abgleich mit den Steuererklärungen des Steuerpflichtigen denkbar, wenn die Art und Weise der Verschleierung nach kriminalistischer Erfahrung ein signifikantes Indiz für unvollständige oder unrichtige Angaben ist.

BFH: Keine Änderungsbefugnis des Finanzamtes bei unzureichenden Nachforschungen

Der Bundesfinanzhof hat kürzlich entschieden, dass die Änderung eines Steuerbescheides aufgrund nachträglich bekannt gewordener Tatsachen ($ 173 Abs. 1 AO) gegen Treu und Glauben verstoßen kann (BFH vom Urteil vom 29.11.2017, II R 52/15): Verzichtet das FA gegenüber dem Steuerpflichtigen ausdrücklich auf die Abgabe einer förmlichen Feststellungserklärung und fordert ihn stattdessen zu bestimmten Angaben auf, verletzt es seine Ermittlungspflicht, wenn die geforderten Angaben für die Ermittlung des für die Grundbesitzbewertung maßgebenden Sachverhalts nicht ausreichen und es keine weiteren Fragen stellt. Erfüllt der Steuerpflichtige in einem solchen Fall seinerseits seine Mitwirkungspflichten, indem er die vom FA gestellten Fragen zutreffend und vollständig beantwortet, ist das FA nach Treu und Glauben an einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gehindert, wenn es später Kenntnis von steuererhöhenden Tatsachen erlangt.

Ebay-Accountinhaber schuldet Umsatzsteuer

Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat kürzlich entschieden, dass Verkäufe/Umsätze über die Plattform "ebay" immer dem jeweiligen Accountinhaber zuzurechnen sind, wenn sich aus den Angebotsbedingungen nicht ausdrücklich etwas anderes ergebe: Trete der Accountinhaber ohne weitere Erläuterungen unter seinem Ebay-Nutzername auf, so komme zwischen ihm und dem Kaufinteressenten im Fall des "Zuschlages" der zivilrechtliche Vertrag zustande. Hierbei ist unerheblich, dass es sich bei dem Nutzernamen zumeist um einen Phantansienamen und nicht um den "Klarnamen" handele. Das Umsatzsteuerrecht folge diese zivilrechtlichen Wertung. Daher richten sich alle steuerrechtlichen Folgen an den Accountinhaber.

Persönliche Haftung des Steuerberaters bei unzulässiger Rechtsberatung

Es ist immer wieder festzustellen, dass einem Teil der Steuerberater nicht bekannt ist, dass im Fall einer unzulässigen Rechtsberatung die Vermögenshaftpflichtversicherung des Steuerberaters im Schadensfall keinen Versicherungsschutz bietet. Der Steuerberater haftet in diesem Fall in voller Höhe mit seinem Privatvermögen, denn auch mit dem Mandanten vereinbarte Haftungsbeschränkungen sind in diesen Fällen unwirksam. Ferner kann der Mandant das gesamte Honorar zurückfordern. Nach § 57 StBG iVm § 5 RDG ist die Rechtsberatung durch Steuerberater nur als Nebenleistung zur beruflichen Haupttätigkeit zulässig. Eine genaue Auflistung von erlaubten Tätigkeiten enthält § 5 Absatz 1 RDG nicht; dies macht es im Einzelfall sehr schwierig festzustellen, ob noch eine zulässige Rechtsberatung als Nebenleistung vorliegt oder ob diese bereits zu einer Hauptleistung „erstarkt“ ist. Es verwundert nicht, dass im Schadensfalle Ex-Mandanten drohen sich darauf zu berufen, dass der Steuerberater eine unzulässige Rechtsberatung ausgeübt habe, denn in diesem Falle kann sich der Mandant auf für ihn günstige Verschuldens- und Verursachungsregelungen berufen („Übernahmeverschulden“). Der Steuerberater sollte daher im Falle von „Rechtsberatung“ immer abklären, ob er sich noch im zulässigen oder bereits unzulässigen Bereich befindet.

Strafrechtliche Risiken des Steuerberaters bei geschätzten USt-Voranmeldungen

Eine Entscheidung des Landgerichts Leipzig vom 16.10.2017 hat den Fokus auf die strafrechtliche Bewertung eines alltäglichen Problems in der Steuerberater-Praxis gelenkt: Die Abgabe von "eigenmächtig" (zu niedrig) geschätzten Umsatzsteuer-Voranmeldungen. Mit dem Begriff der "Eigenmächtigkeit" ist gemeint, dass dem Steuerberater zum Zeitpunkt der Abgabefrist keine näheren Angaben zu den tatsächlichen Umsätzen des Mandanten vorliegen und der Steuerberater sodann eigenständig die Umsätze schätzt und an das Finanzamt meldet, weil er die Abgabefrist einhalten möchte. Erweist sich die Schätzung als zu niedrig, so liegt eindeutig eine Steuerhinterziehung vor. Fraglich ist, ob der Steuerberater in diesem Fall als Mittäter/Teilnehmer an dieser Steuerhinterziehung zu betrachten ist. Kommt es mehrfach zu zu niedrigen Schätzungen, so sehen einige Gerichte eine Strafbarkeit des Steuerberaters wegen (vorsätzlicher) Beihilfe zu Steuerhinterziehung als gegeben. In dem vorliegenden Fall hat allerdings das LG Leipzig eine für den Steuerberater günstige Rechtsposition eingenommen und unter Hinweis auf die BGH-Rechtsprechung zu berufstypischem Verhalten einen Beihilfevorsatz des Steuerberaters verneint. Allerdings hat das LG Leipzig eine leichtfertige Steuerverkürzung gemäß § 378 AO bejaht und den Steuerberater zu einer Geldbuße in Höhe von EUR 25.000,-- verurteilt (Aufgrund zwischenzeitlich eingetretener Insolvenz der Mandantin konnte diese die tatsächlich geschuldete USt. in Höhe von insgesamt ca. EUR 96.000,-- nicht mehr entrichten).

Steuerrecht "aus dem Leben"

Steuerrecht ist in der konkreten Anwendung superspannend. Für Interessierte (nicht nur Kollegen) haben wir eine sytematische Zusammenstellung des

- Steuerstrafrechts
- Internationalen Steurrechts
- Steuerstrafrechts in Wirtschaftsdelikten
- Steuerstrafrechts im Bereich der Prostitution
zusammengestellt.

Suche