Wenn der Staat zugreift: Vermögensabschöpfung
Im Juli 2017 hat der Gesetzgeber die sogenannte "Vermögensabschöpfung" im Strafrecht neu geregelt. Ziel der Neuregelung war es, die Vermögensabschöpfung (für die Ermittlungsbehörden) zu vereinfachen und auszuweiten. Von besonderer Brisanz ist zum Beispiel die "selbständige Einziehung" nach § 76a StGB, welche in Verbindung mit § 437 StPO auch ohne Verurteilung die Einziehung von Vermögen "unklarer Herkunft" ermöglicht. Die neue Möglichkeiten der Vermögensabschöpfung sind allerdings in vielen Details noch ungeklärt - noch liegen nicht sehr viele gerichtliche Entscheidungen zu dem neuen Recht vor. Der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 07.03.2019) hat noch nicht viele Fälle hierzu vorgelegt bekommen, allerdings hat er bereits in einer Entscheidung den Ermittlungsbehörden einen Dämpfer erteilt: Die neue Vermögensabschöpfung soll nicht auf Straftaten angewandt werden, welche zum Juli 2017 bereits verjährt waren. Über diese Frage wird abschließend das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Aber auch weitere (materielle und prozessuale) Fragen der neuen Vermögensabschöpfung sind noch ungeklärt, so dass es sich für Betroffene immer lohnt, ihren Fall von einem in diesem Rechtsgebiet erfahrenen Rechtsanwalt prüfen zu lassen. Insbesondere im Bereich des Steuerstrafrechts/Steuerhinterziehung sind noch eine Vielzahl von Fragen offen (z.B.: Vermögensabschöpfung bei (nur) versuchter Steuerhinterziehung?).GmbH-Geschäftsführer sofort kündbar?
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 20.08.2019 zu einer in der Praxis nicht so seltenen Problematik Stellung genommen: Der fristlosen Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers bei jahrelang unerkannt unwirksamen Anstellungsvertrag: Bei dem Abschluss eines GmbH-Geschäftsführer-Anstellungsvertrages sind auf Seiten der GmbH bestimmte Regelungen einzuhalten, kommt es hier zu Fehlern, so ist der Anstellungsvertrag (unerkannt) unwirksam. Der BGH hat nun entschieden, dass selbst dann, wenn dieser Fehler über Jahre nicht erkannt wird, der Anstellungsvertrag im Prinzip unwirksam bleibt. Allerdings wird der Anstellungsvertrag für die Dauer seiner Durchführung wie ein wirksamer Vertrag behandelt (Grundsätze zum fehlerhaften Anstellungsverhältnis) - jedoch kann der Anstellungsvertrag im Prinzip (von Härtefällen abgesehen) jederzeit und ohne wichtigen Grund beendet werden, Kündigungsfrist etc. sind nicht zu beachten.BFH: Vollstreckung gegen einzelne Erben möglich
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass das Finanzamt auch bei einem noch UNGETEILTEN(!) Nachlaß die jeweilige Erbschaftsteuer gegenüber einem Erben in dessen persönliches Vermögen vollstrecken kann. Anders als gegenüber zivilrechtlichen Gläubigern kann sich der Erbe nicht auf die Vorschrift des § 2059 Absatz 1 BGB berufen, welche bei einem noch ungeteilten Nachlaß die Haftung der Erben auf den vorhandenen Nachlaß beschränkt. Zwar sieht § 20 Absatz 3 ErbStG eine ähnliche Regelung vor (Haftung des Nachlasses bis zur Teilung), diese ist jedoch dahin zu verstehen, dass sie nur eine weitere Haftungsmöglichkeit vorsieht - neben der weiter bestehenden persönlichen Haftung des Erben für seine Erbschaftsteuerschuld. Der BFH ist ferner der Ansicht, dass § 20 Absatz 3 ErbStG auch nicht so zu verstehen ist, dass das Finanzamt ZUERST in den Nachlaß vollstrecken muss und erst dann gegen den Erben vorgehen darf; vielmehr ist das FA frei, welchen Weg es wählt.Bundesfinanzhof zum Steuerstrafrecht
Der Bundesfinanzhof (BFH) äußert sich relativ selten zu Fragen des materiellen SteuerSTRAFrechts oder des SteuerSTRAFVERFAHRENSrechts - dies ist eher das Betätigungsfeld des Bundesgerichtshofs (BGH). Nunmehr hat der BFH in relativ knapper Form zu zwei Fragen Stellung genommen: Es stand die Frage im Raum, ob Steuerpflichtige mit Migrationshintergrund und keinen/wenig Kenntnissen in Buchhaltung und Steuerrecht einen Vorsatz zur Steuerhinterziehung haben können, wenn sie die Buchhaltungsarbeiten und Steuerangelegenheiten ihren Verwandten und einem Steuerberater überlassen. Der BFH entschied, dass es in solchen Fällen -wie in jedem anderen Fall auch- auf den Einzelfall und die konkreten Umstände ankomme. Es sei die Aufgabe des erstinstanzlichen Finanzgerichts diese Umstände zu untersuchen, gegebenenfalls durch Zeugenbefragung, und dann abzuwägen, ob der Steuerpflichtige eine Steuerhinterziehungsvorsatz hatte oder nicht. Die zweite Frage bezog sich auf eine neue EU-Richtlinie, die nunmehr die Anwesenheit des Verteidigers bei bestimmten Ermittlungsmaßnahmen vorsieht. Die EU-Richtlinie wurde in nationales Recht übernommen (§ 58 und § 168c StPO). Der BFH vertritt die Ansicht, dass das Anwesenheitsrechts des Verteidigers nur bei den im Gesetz ganz genau bestimmten Fällen (insbesondere bei Gegenüberstellungen und bei richterlichen Vernehmungen von Zeugen und Sachverständigen) greift, nicht jedoch bei jeder Zeugenvernehmung durch Polizei oder Staatstanwaltschaft oder Steuerfahndung.Bußgelder bei fehlerhafter Kassenführung
Ab dem 01.01.2020 können in Fällen von fehlerhafter Kassenführung nach § 379 Absatz 1 Nr. 3 AO Bußgelder in Höhe bis zum EUR 25.000,-- (bisher EUR 5.000,--) verhängt werden. Gerade bargeldintensive Betriebe wie Gaststätten & Cafes, Imbissläden, Friseurgeschäfte, Eisdielen, Kioske etc. stehen hier im Fokus. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass das Bundesfinanzministerium (BMF) im Juli 2019 die sogenannten "GoBD" (Grundsätze zur ordnungsgemäßen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff) aus dem Jahre 2014 ergänzt hat. Insbesondere die Pflicht zur Aufzeichnung eines jeden Geschäftsvorfalls (also z.B. Verkaufs) wurde nochmals stark hervorgehoben. Die Einzelaufzeichnungspflicht entfällt nur bei Unzumutbarkeit. Laut BMF ist die Aufzeichnung jedes einzelnen Geschäftsvorfalles nur dann nicht zumutbar, wenn es technisch, betriebswirtschaftlich und praktisch unmöglich ist, die einzelnen Geschäftsvorfälle aufzuzeichnen, was der Steuerpflichtige nachzuweisen hat. Verfügt der Steuerpflichtige aber über eine elektronische (PC-)Kasse, egal ob er dazu verpflichtet ist oder nicht, so ist die Einzelaufzeichnung immer zumutbar. Ob die Einzelaufzeichnungspflicht erfüllt wird, dürfen die Prüfer des Finanzamtes auch durch verdeckte/anonyme Testkäufe feststellen. Sie dürfen zu diesem Zweck auch heimlich Videoaufnahmen anfertigen. Ergibt sich dabei, dass die Mitarbeiter des Steuerpflichtigen mehrmals einzelne Verkäufe nicht im Kassensystem erfassen, so können die Kassenaufzeichnungen vom Finanzamt "verworfen" werden und das Finanzamt ist befugt Schätzungen vorzunehmen. Diese Schätzung sind nicht auf den Monat der unterbliebenen Einzelaufzeichnungen beschränkt, sondern können einen größeren Zeitraum erfassen (FG Hamburg vom 13.08.2018 - 2 V 216/17). Zusätzlich(!) kann dann auch das vorerwähnte Bußgeld verhängt werden.Weitere Beiträge...
Steuerrecht "aus dem Leben"
Steuerrecht ist in der konkreten Anwendung superspannend. Für Interessierte (nicht nur Kollegen) haben wir eine sytematische Zusammenstellung des
- Steuerstrafrechts
- Internationalen Steurrechts
- Steuerstrafrechts in Wirtschaftsdelikten
- Steuerstrafrechts im Bereich der Prostitution
zusammengestellt.
Suche
Meistgelesen Beiträge
- Steuer-Symposium in Berlin: Die deutsche Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen
- BGH: 10jährige Verjährungsfrist bei Steuerhinterziehung auch "rückwirkend" anwendbar
- Steueroasen-CD: Deutschland bekommt nun doch die Daten
- Steuerfahndung NRW: 200 "Schweiz"-Selbstanzeigen im Monat
- Bankgeheimnis: Liechtenstein knickt ein
Die neuesten Beiträge
- Schiedsrichter im Gesellschafterstreit – Verbindung von rechtlicher und steuerlicher Kompetenz
- Vorsicht Falle! Warum eine abgeschlossene Betriebsprüfung noch lange nicht das Ende ist
- Dr. Korts erstreitet weiteres Grundsatzurteil des BFH zu Auskunftsansprüche von Steuerpflichtigen
- Internationale Steuerplanung: So gelingt der steueroptimierte Wohnsitzwechsel
- Steuerhinterziehung mit Dubai-Vermögen? Jetzt schnell handeln und strafrechtliche Konsequenzen vermeiden!
- Steuerstreit vor dem BFH? Diese neue Entscheidung verbessert Ihre Erfolgsaussichten!
- Überhöhte Grundsteuer? Fachanwälte helfen bei der Abwehr unberechtigter Forderungen
- Gewerbesteuer sparen – aber sicher! So vermeiden Sie den Verdacht der Steuerhinterziehung
- Steuerfallen bei Tantiemen: Jetzt beraten lassen und hohe Nachzahlungen vermeiden!
- BFH-Urteil zu Steuerstundungsmodellen: Lassen Sie sich rechtzeitig beraten!
- Gesellschafterstreit – Handeln Sie jetzt, bevor es zu spät ist!
- Betriebsprüfung? Fachanwalt für Steuerrecht!
- Ihr starker Partner im Gesellschafterstreit – Erfahren, durchsetzungsstark, erfolgreich
- Steuerliche Betriebsprüfung und Steuerstrafverfahren – Warum eine spezialisierte Vertretung entscheidend ist
- Steuer- und Geschäftsunterlagen bei Durchsuchung und Beschlagnahme