Strafbefreiende Selbstanzeige des neuen Geschäftsführer wirkt nicht automatisch für alten Geschäftsführer
Das Kammergericht Berlin hat kürzlich (Urteil vom 24.11.2016, (4) 121 Ss 169/16 (195/16)) zu der Frage Stellung genommen, ob eine strafbefreiende Selbstanzeige des neuen Geschäftsführers "automatisch" auch für den vormaligen Geschäftsführer Wirksamkeit entfaltet, während dessen Amtszeit es zu dem Verstoß gekommen ist. Das Kammergericht lehnt die Sichtweise einer automatische Wirksamkeit ab. Nach § 371 Absatz 1 und 4 AO entfalte eine strafbefreiende Selbstanzeige nur dann Wirksamkeit für einen Dritten (hier: den vormaligen Geschäftsführer), wenn die Selbstanzeige ausdrücklich (auch) in seinem Namen oder Auftrag erfolgt ist. Die Wirksamkeit von "auftragslosen" Selbstanzeigen ist nach Ansicht des Kammergerichts auf die Fälle des § 371 Absatz 4 AO beschränkt, dort werden jedoch nur die Fälle von Steuerhinterziehung aufgrund Verstoßes gegn § 153 AO erfaßt. Ein Geschäftsführer, der aus seinem Amt ausscheidet sollte sich also vorher vergewissern, ob er nicht noch vor dem Ausscheiden steuerliche Erklärungen korrigiert.BFH zur Haftung beim Umsatzsteuerbetrug durch Geschäftspartner
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat kürzlich bestätigt, dass ein Unternehmen nur unter engen Voraussetzungen bei einem Umsatzsteuerbetrug seines Geschäftspartners für die ausstehende Umsatzsteuer in Haftung genommen werden kann (Urteil vom 10.8.2017, V R 2/17). Im vorliegenden Fall wurde der Unternehmer vom Finanzamt nach § 25d UStG für ausstehende Umsatzsteuer in Haftung genommen: Der Unternehmer hatte Waren gekauft und bezahlt, jedoch hatte der Verkäufer die Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abgeführt. Das Finanzamt war der Ansicht, dass der Unternehmer dies hätte wissen können, da ihm bekannt war, dass die Steuerfahndung gegen den Verkäufer (wegen Umsatzsteuerhinterziehung in der Vergangenheit) Ermittlungen eingeleitet hatte. Der BFH hat in seiner Entscheidung klar gestellt, dass die Kenntnis über steuerstrafrechtliche Ermittlungen gegen den Geschäftspartner nicht automatisch dazu führt, dass der Unternehmer erhöhten Sorgfaltspflichten unterliegt.EuGH: Grundsatzurteil zu missbräuchlichen Geschäftspraktiken im Umsatzsteuerrecht
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 22.11.2017, C-251/16, entschieden, dass der Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Geschäftspraktiken im Umsatzsteuerrecht von den Mitgliedstaaten beachtet und umgesetzt werden muss. Dies führt dazu, dass missbräuchliche Geschäftspraktiken von einem Mitgliedstaat selbst dann verboten bzw. besteuert werden können, wenn im NATIONALEN Recht entsprechende Mißbrauchsverhinderungs- bzw. Korrekturvorschriften fehlen! Mit anderen Worten: Der EU-Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Geschäftspraktiken im Umsatzsteuerrecht ist direkt und unmittelbar im Mitgliedstaat anwendbar. Nach Ansicht des EuGH widerspricht dies auch nicht den Grundsätzen der Rechtssicherheit oder des Vertrauensschutzes. Die Entscheidung erleichtert es den EU-Mitgliedstaaten gegen Verstöße im Umsatzsteuerrecht vorzugehen und dürfte erhebliche praktische Auswirkungen haben.BFH: GmbH-Geschäftsführer haftet für unbestrittene Steuerschulden seiner insolventen GmbH
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 27.9.2017, XI R 9/16, bekräftigt, dass ein GmbH-Geschäftsführer für Steuerschulden seiner insolventen GmbH nach § 166 AO in Haftung genommen werden kann, wenn diese Steuerforderungen im Insolvenzverfahren nicht bestritten worden sind und daher unbestritten zur Insolvenztabelle festgestellt worden sind. Der GmbH-Geschäftsführer kann in diesen Fällen seine Haftungsinanspruchnahme nicht dadurch vermeiden, dass er die Höhe der Steuerforderungen bestreitet: Mit der Feststellung der Steuerforderungen zur Insolvenztabelle gelten diese Steuerforderungen als rechtskräftig festgestellt. Um sich gegen die Höhe der Inanspruchnahme zu wehren, muss der GmbH-Geschäftsführer im Vorfeld gegen die Steuerforderungen des Finanzamtes Einspruch einlegen UND im insolvenzrechtlichen Prüfungstermin (§ 176 InsO) die Steuerforderungen (=Anmeldungen zur Tabelle) bestreiten! Nur in diesem Fall, so der BFH, wird dann das Einspruchsverfahren weitergeführt und die materielle Richtigkeit der Steuerforderungen geprüft. Versäumt der GmbH-Geschäftsführer die Steuerforderungen im Prüfungstermin zu bestreiten, so wird automatisch das Einspruchsverfahren gegenstandslos und erledigt sich.NACHTRAG: Das FG Düsseldorf hat am 25.10.2017 eine gleich lautenden Entscheidung erlassen und vertritt denselben strengen Standpunkt.EuGH: Vorsteuerabzug und Adressangaben bei Rechnungen
Der Europäische Gerichtshof hat am 15.11.2017 in der Rechtssache C-374/16 und C-375/16 über eine Streitfrage betreffend die Rechnungsangaben bei Vorsteuerabzug entschieden. Er hat hierbei gegen die Rechtsansicht der deutschen Finanzverwaltung und des Bundesfinanzhofs entschieden. Nach Ansicht der letzteren muss ein Rechnungsaussteller in der Rechnung die Adresse angeben, an welcher er seine wirtschaftliche Tätigkeit tatsächlich ausübt - reine "Briefkastenanschriften" würden diese Voraussetzungen nicht erfüllen. Der EuGH hat nunmehr geurteilt, dass als Rechnungsanschrift die Angabe des statuarischen Sitzes oder eines "Briefkastens" sehr wohl ausreichend sein kann. Es ist jedenfalls nicht zwingend erforderlich, dass die Rechnungsanschrift den Ort der Ausübung der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit ausweist. Da die Entscheidung des EuGH von einer 5-Kammer des Gerichts und nach Anhörung des Generalanwalts ergangen ist, dürfte die Entscheidung über den entschiedenen Einzelfall hinausweisen und als Grundsatzentscheidung anzuwenden sein.Weitere Beiträge...
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